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Geht's noch?

Geht's noch?

Titel: Geht's noch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Phillips
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Weile geschah etwas Komisches. Er hörte auf, an die Probleme seiner Familie zu denken und begann sich auf sein eigenes Leben zu konzentrieren. Nicht auf die negativen Dingen wie das Verpassen des Trainingslagerstarts, sondern auf seine Reha und auf die Details, die er tun konnte, um härter und effizienter zu trainieren und möglichst rasch wieder zu dem Sport zurückzukehren, den er so liebte. Ohne seine Zeit ständig neu ein- und aufteilen zu müssen, gewöhnte er sich an den ihm vorgegebenen festen Tagesablauf und begann zu erkennen, wie unkonzentriert er zuvor gearbeitet hatte. Wie sehr er diese Flucht gebraucht hatte.
    Wie richtig Amy gelegen hatte.
    Anfänglich ging er ihr noch absichtlich aus dem Weg, versäumte aus reiner Schikane gemeinsame Abendessen, und versuchte nachdrücklich zu demonstrieren, dass er sich zwar womöglich zum Bleiben entschlossen hatte, dass aber noch immer er das Ruder in der Hand hatte. Er rechtfertigte seine Handlungen mit
dem Argument, dass er damit ja schließlich nur ihrem Rat folgte, nämlich zur Abwechslung mal ausschließlich an sich selbst zu denken. Und das tat er. Dennoch bemerkte er, wie sie ihn durch die Fenster des Fitnesscenters beobachtete, oder er sah sie beim Essen mit einem der Gäste, den sie offenbar während ihrer Zeit hier kennengelernt hatte. Er wusste, dass sie ihm Freiraum ließ, genau wie er wusste, dass es kindisch von ihm war, ihr aus dem Weg zu gehen.
    Er wartete zu ihrer üblichen Essenszeit beim Lunch auf sie. Als sie nicht erschien, fragte er Lisa, die ihm erzählte, dass Amy sich nicht gut fühlte. Sie hatte sich mit einer Erkältung ins Bett gelegt und gesagt, dass sie in ihrem Zimmer sei, wenn er etwas brauche. Er brauchte nichts, er begann nur ihre Gesellschaft zu vermissen.
    Herrgott, er vermisste sie seit dem Moment, da er sich von ihr abgekapselt hatte. Aber da sie sich nicht gut fühlte, würde sie ihn wahrscheinlich nicht sehen wollen, und so ließ er ihr nur einen Teller Hühnersuppe aufs Zimmer bringen zusammen mit einer Gute-Besserung-Karte, die er eigenhändig unterschrieb.
    Am nächsten Tag war sie noch immer außer Gefecht, und als er anrief, sagte sie ihm, dass sie sich schrecklich fühle und ihn nicht mit der Grippe, oder was immer sie habe, anstecken wolle und er deshalb nicht vorbeikommen soll. Er respektierte ihren Wunsch und blieb auf Distanz, schickte ihr aber stattdessen den Arzt vorbei. Ihr grippaler Infekt hielt noch drei weitere Tage an.

    In der Zwischenzeit trainierte er weiter, erholte sich immer mehr und fiel abends viel früher als gewohnt erschöpft ins Bett. Jeden Morgen erwachte er erfrischt und bereit, sofort wieder loszulegen. Und er begann zu spüren, wie sein Körper auf das konstante Aufbauprogramm, den gleichförmigen, ungestörten Tagesablauf und den fehlenden Stress ansprach.
    Alles entwickelte sich wirklich gut. Das Einzige, was fehlte, war Amy, und er hatte beschlossen, dass er, sollte sie auch morgen nicht herauskommen, ihr Zimmer einfach stürmen würde. Nach der vergangenen Woche stand für ihn unverbrüchlich fest, wenn er hier schon für die nächste Zeit Tür an Tür mit der Frau lebte, die er mit jedem Tag stärker begehrte, dann sollte er die Gelegenheit verflucht noch mal zu nutzen versuchen.
    Sein Programm für heute war abgeschlossen und jetzt ließ er seinen schmerzenden Körper zur Entspannung in das warme, sprudelnde Wasser des Whirlpools gleiten. Jedes Mal, wenn er zu überlegen begann, wie es seiner Familie ging und wie sie wohl damit zurechtkam, dass er für sie nicht bei Bedarf erreichbar war, verdrängte er den Gedanken aus seinem Kopf. Er wurde immer besser darin, und mit jedem Tag schwanden die Schuldgefühle ein wenig mehr. Amy hatte recht – er vertraute Micki, dass sie mit ihnen fertigwurde. Wäre ein echter Notfall eingetreten, hätte er davon gehört. Er schloss seine Augen, legte seinen Kopf zurück und lenkte seine Aufmerksamkeit erneut auf absolut gar nichts.

    Viel zu schnell zerstörte eine weibliche Stimme seine geheiligte Stille.
    »Sie gestatten doch, oder?«, fragte sie.
    Er öffnete mit Mühe seine schweren Augenlider und sah, wie sich eine bildschöne Frau in einem winzigen String-Bikini in den Whirlpool sinken ließ, so als stünde seine Antwort von vorneherein fest. Und da er schließlich keine exklusiven Benutzerrechte besaß, stand sie das wohl auch.
    Ihr schokoladenbraunes Haar wirkte werbegleich makellos gefärbt, und ihr breites Lächeln drückte Perfektion aus.

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