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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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hinter ihnen her und blockieren die jeweilige Straße, so dass andere Fahrzeuge nicht überholen können. An der Kreuzung Rosenthaler Platz stehen fünf Mann Schmiere. Die zwölf Fahrradfahrer rollen im Schritttempo in die Kreuzung hinein bis hinter den Fußgängerübergang. Der Fahrradanführer jeder Gruppe gibt, 13.00 Uhr, das Kommando auf Kommando von Karla, Aufnahmeleiterin, die an der Kreuzung steht und dank ihrer Körpergröße die Sache ohne Leiter voll überblickt, auf Kommando von Iepe, der sich am Fenster einer Wohnung im vierten Stock über dem Café St. Oberholz an der Kreuzung Rosenthaler Platz befindet, wo vier der sieben Kameras installiert sind. Die Kommunikation zwischen Karla und Iepe erfolgt über Handy und Walkie-Talkie. Die Kommunikation zwischen Karla und den Schachboxern erfolgt über Handzeichen und Brüllen. Alle Fahrer ziehen den Stift. Die Wannen kippen, das Zellophan auf den Wannen reißt, die Farben ergießen sich auf die Fahrbahn. Sofort ergreifen die Fahrradfahrer die Flucht. Die Begleitfahrzeuge blockieren einen Moment die Kreuzung. Ist die Ampel rot, bleiben sie sowieso stehen, bis die Ampel auf Grün schaltet. Sie fahren ganz langsam durch die Farbe hindurch, so, als wär nix gewesen, und signalisieren den Autofahrern hinter ihnen: Ey Leute, es ist okay, seht her, es ist nur Farbe, man kann da durchfahren. Der Fluchtweg der Fahrradfahrer führt von der Kreuzung Rosenthaler Platz den Weinbergweg hinauf bis zur Ecke Zehdenicker Straße. Das sind 200 Meter. Dort steht das Fluchtfahrzeug in einem anderen Hof. Alle Fahrräder werden in den Sprinter geladen. Der Sprinter fährt auf den Hof von Platoon. Dort werden die Räder sowie der Sprinter per Hochdruckreiniger gereinigt. Die Räder verschwinden vom Hof, der Sprinter auch. Alle Schachboxer treffen sich 13.30 Uhr im zweiten Stock des Cafés St. Oberholz am Rosenthaler Platz, wo zwei Tische reserviert sind.
    Die Fahrradfahrer, Begleitfahrer und jene Schachboxer, die zum Dampfstrahlen, zur Ordonnanz, Organisation und Dokumentation eingeteilt sind, stehen im Hof von Platoon um den Holländer Iepe herum, auch Thomas. Die Aufnahmeleiterin überragt alle um Kopfeslängen.
    »Und wenn ihr dann im Café seid, ist das wie bei Miss Marple: keine farbigen Finger, Schuhe und wie war’s für dich, Schatz«, sagt Karla.
    Gelächter.
    »Und jetzt das Allerallerwichtigste: Für die ganz kleine Chance, dass plötzlich ein Bulle vor euch steht und sagt: hab ich dich – habt ihr alle euren Ausweis dabei?«
    Die Aufnahmeleiterin nickt.
    »Okay«, sagt Iepe. »Das ist der Moment, der ganz schwierig ist. Gebt höflich euren Ausweis ab und sagt nichts. Schnauze halten. Alles Weitere können die Bullen mit meinen Anwälten klären. Okay? In fünf, sechs Wochen stellen wir’s ins Internet.«
    Samy the lawyer meldet sich.
    »Ist das nach sechs Wochen verjährt?«
    Otto meldet sich.
    »Muss man die Wanne nach dem Auskippen hochziehen und den Stift wieder reinstecken, damit man weiterfahren kann?«
    »Äh, also probiert es noch mal, aber ich glaube, man kann auch so weiterfahren. Okay. Wir gehen mal die Liste durch. Team Rot: Mathias, Hieronimus, Daniel. Eure Begleitfahrzeuge fahren Eric, Sonja, Samy. Stimmt euch untereinander ab. Team Gelb …«
    Ein Kind weint. Der Hund schüttelt sich. Blaue Farbe auf schwarzer Schnauze. Thomas spürt eine Vibration in seiner Hose. Eine SMS. Sandra.
    Bin im Oberholz. Wo sind alle?
    12.35 Uhr.
    Sandra war auf den letzten Drücker auf den Hof gekommen. Sie trug einen Pferdeschwanz statt der vielen kleinen Klämmerchen im Haar, ein hübsches blaues T-Shirt, Jeans und darüber blaue Cowboystiefelchen. Sie lächelte, als sie Thomas sah, der auf sie zustürmte. Seine Knie zitterten. Stürmisch umarmten sie sich.
    Sandra lächelte.
    »Du bist ein Auto. Ich meine ein Begleitfahrzeug. Ich meine, du fährst ein Auto und hinter Hieronimus, Mathias und Daniel her. Team Rot«, sagte Thomas und zog einen Schlüssel aus der Tasche.
    »Okay.«
    »Also das Auto steht in der Schönhauser Allee, praktisch direkt vor meinem Haus«, sagte Thomas und zog einen weiteren Schlüssel aus der Tasche. »Wenn du es schaffst, kannst du ja noch schnell hochgehen und duschen. Hier sind die Schlüssel.«
    Thomas versuchte zu lächeln.
    »Okay.«
    Sandra hauchte ihm ein Küsschen auf die Wange, nahm ihm alle Schlüssel weg und verschwand hopserlaufend im Gewirr der Schachboxer.
    12.40 Uhr.
    Über die Kreuzung Rosenthaler Platz fahren Autos, gehen Menschen.

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