Gehwegschäden
Bezirke einzutreiben.
FURCHT
21. Schachboxen ist Schmerz, der den Körper verlässt
»RA-RA-RA Y BAB! DAB DAB!«
In der Boxhalle unter der Stadt stehen die Schachboxer an langen schwarzen Klapptischen und spielen Schach. Männer und Frauen stehen in Reihen vom Schachschrank bis zum Ring vor den Brettern und konzentrieren sich. Wenn sie gezogen haben, schlagen sie auf die Uhren. Tack. Nicht das Schach bestimmt das Boxen, das Boxen bestimmt das Schach.
»Ra-ra-ra-ra! Y DAB DAB!«
Nur Jesus hat sich so elegant wie abwesend in einen Sandsack verbissen.
Sie schwitzen, sie keuchen, und Tack. Sie müssen sowohl zur Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur als auch zum Zwecke der Überwindung eines anhaltend quälenden Stresszustandes in einer simulierten Sitzposition an den Tischen hocken, Knie im Winkel von 90 Grad. Und Tack. Sie stöhnen. Nicht das Denken bestimmt das Handeln. Und Tack. Das Handeln bestimmt das Denken. Wer angreift, ist nicht immer im Vorteil.
Und Tack.
Wer gezogen hat, macht fünf Liegestütze.
Und Tack.
Wer fünf Liegestütze gemacht hat, kehrt zurück in die Hockposition und zieht.
Tack.
Jeder hat zwölf Minuten für die Summe seiner Züge.
Tack.
Thomas Frantz schmerzen die Beine. Sein Herz rast. Der Schmerz geht durch den ganzen Körper. Und Tack. Schmerz ist nur Schwäche, die den Körper verlässt, brüllt Anti-Terror-Frank. Tack. Wer jammert, hat noch vierzig Prozent.
»RA-RA-RA-RA!«
Das Rundenzeichen ertönt. Eine Minute Pause. Alle streifen ihre Handschuhe über und suchen sich einen Platz zum Sparren.
Eins zwei ping! – Gerade. Eins zwei pong! – Haken. Eins zwei pung! – Uppercut, lehrt der Kubaner. Aber locker bleiben. Immer locker und in Bewegung bleiben.
Das Rundenzeichen ertönt, und die Schachboxer trainieren im Wechsel, wie sie die Schläge vor dem Ziel abstoppen. Das ist eine Übung, um Verletzungen im Sparring vorzubeugen. Aggressionsmanagement nennt das Anti-Terror-Frank. Boxen ist Kontrolle, sagt der Kubaner. Frantz versucht, sein Gewicht entspannt von einem Fuß auf den anderen zu hieven und die Spannung nur im Moment des Angriffs wie der Verteidigung aufzubauen. Die Kontrolle liegt in den Beinen, nicht in die Händen, sagt Jesus. Die Faust trifft den Gegner federleicht. Frantz hat damit seine liebe, verkrampfte Mühe.
Ein Boxer ohne Kontrolle ist tot, schreit Jesus.
22. Am Markt. Hundert Gramm Baumschwamm kosten jetzt zwölf Euro, und es ist einem Elternpaar zu gleichen Teilen vollkommen egal, wie lang die Schlange noch werden würde
Am Bahnsteig Senefelder Platz hat die Polizei ein Subjekt aus der Menge gefischt. Einer der beiden Beamten telefoniert, das Subjekt sagt etwas, das Thomas Frantz nicht versteht, doch, ja, jeraucht, sagt der telefonierende Beamte, das Subjekt hat jeraucht, ein Bürger hat et janz jenau jesehn und die Tat jemeldet, das Subjekt schüttelt den Kopf und wird abgeführt.
Am Kollwitzplatz standen sie direkt vor ihm, ein Elternpaar, am türkischen Stand. Der türkische Stand des Marktes hatte 24 Sorten Käsecremes. Käsecreme mit Tomaten, Basilikum, Paprika, Aubergine, Honig, Mandeln, Fischrogen, grünem Pesto, rotem Pesto, schwarzen Oliven, grünen Oliven, Bärlauch, Ingwer, Chili, Safran, Rosmarin, Salbei, Petersilie, Koriander, Koriander mit Tomaten, Knoblauch mit Tomaten, Basilikum mit Tomaten, Zucchini mit Tomaten und Holunderblüte. Beide Elternteile standen sich gegenüber, direkt vor Frantz, das Neugeborene im Kinderwagen zwischen ihnen und Frantz. Sie probierten alle 24 Sorten Käsecremes aus. Beide Elternteile zelebrierten das, scherzten mit dem türkischen Verkäufer, der reichte dem jeweils bestellenden oder auf einen der hölzernen Bottiche deutenden Elternteil ein kleines Stück Weißbrot, das er mit eben dieser Käsecremesorte bestrichen hatte. Darauf stopfte der Elternteil das Brotstück in den Mund, kaute, unterzog die Käsecremesorte einer ausführlichen Prüfung, zeigte eine angenehme Erregung, quittierte das positive Geschmackserlebnis mit einem wohligen Hmmm-Laut und sagte: Ja, davon hätte ich gern ein Schälchen. Der türkische Verkäufer strich die Käsecremesorten aus den jeweiligen Holzbottichen in der gläsernen Auslage mit einem Schaber in ein Schälchen, wog je 100 Gramm ab und türmte dann die Schälchen zuerst übereinander, dann neben- und übereinander. Es war beiden Eltern zu gleichen Teilen vollkommen egal, wie viel Zeit diese Prozedur in Anspruch nehmen würde und wie weit die Schlange hinter ihnen in
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