Geier (German Edition)
dran. Nix.
„Ich gehe zu Ignacio. Da bin ich am besten dran. Und ich nehme die Harley. Mit der bin ich am beweglichsten.”
Die beiden wehrten gleichzeitig ab. “Kommt garnicht in Frage. Die kannst du vergessen - jeder Geier zwischen Vegas und der Küste kennt deine Harley inzwischen, kannst du mir glauben. Und kennt den genauen Betrag, der fürs Entdecken und Verpfeifen versprochen ist”, wusste Winston. Misty war ebenso schnell: “Die fährt Winston mit dem Kastenwagen nach San Bernadino und verkauft sie. Du kannst die nie wieder fahren, ist doch logisch.”
Ich musste zugeben, dass sie recht hatten. Die Harley stand ja die ganze Zeit in der Remise, weil es viel zu gefährlich war, sie zu fahren. Ich sah ein, dass sie wegmusste.
“Dann nehme ich den Jeep, wenn es dir recht ist, Misty. Von der Sorte gibt´s so viele, dass der nicht auffällt. Außerdem hat Winston ihn so schön schwarz lackieren lassen, dass er wie ein neuer aussieht. Den erkennt auch der Indianer nicht wieder.“
Sie überlegten kurz und stimmten zu. Misty wollte im Kloster anrufen, aber Winston war strikt dagegen. „Wenn die uns so auf der Pelle hocken, können wir nichts riskieren. Die Cops hören zu gern ab – legal oder illegal ist denen doch scheißegal.“ Er musste selber über seinen Spruch aus den Haschisch-Sechzigern lachen. Die Stimmung taute etwas auf.
Ich entschuldigte mich vorsichtshalber für den Ärger, den ich ihnen ins Haus gebracht hatte. Aber da wehrten beide entrüstet ab. Nee, nee, so war´s ja nicht gemeint. Na schön.
Misty half mir beim Packen. Dabei blieb´s natürlich nicht. Obwohl mir der Sinn wirklich nicht nach Ständer stand. Aber sie drängelte und werkelte, bis sich meine Ausreden als erstunken und erlogen herausstellten. Der Gegenbeweis glotzte im links geknickten Steilwinkel einäugig vor sich hin.
Ich war also erst um halb elf fahrbereit. Winston meinte, ich solle mein Telefon einschalten und auf seinen Anruf warten. Er würde den Caddy nehmen und zur alten Route 66 rüberfahren, nach Barstow hinein und irgendwo in der Stadt aussteigen. Er ruft dann an, und wir würden besprechen, wie ich am besten auf den Freeway komme.
Also abgemacht.
Er war keine zehn Minuten weg, als das Telefon schrillte. Ich drückte den Empfangsknopf, und Winston sagte mir sehr ruhig, dass sie hinter ihm her seien. Ein Polizeiwagen habe auf der Route in Sichtweite der Einfahrt gewartet und sei ihm gefolgt. Im Vorbeifahren habe er ins Auto schauen können – er habe niemanden erkannt, aber im Auto saßen vier Personen, davon zwei Uniformierte. Da sei er sicher.
„Jetzt fahre ich genau sechzig, damit die mir nichts anhaben können. Ich bin mal gespannt, ob noch jemand dazu kommt. Wenn ja, fahre nach links, übers Gelände. Weißt schon wohin. Und von dort aus nicht mehr zurückschauen. Bis du am Ziel bist.“
Ich gab das Telefon an Misty weiter, nickte ihr zu, dass sie ihm antworten soll. Ich machte ein leises „OK“ und sie sagte es. Dann hörte sie ein paar Sekunden zu und reichte mir den Apparat. „Da sind sie“, sagte Winston. „Von rechts ist ein Auto dazugekommen – kann ein Chevy sein. Ich bin kurz vor Barstow – noch zwei Meilen, und dann....”
Ich hörte einen Moment nur Fahrgeräusch, dann gellte eine Sirene. „Jetzt halten sie mich an. Hau ab! Sofort“, und legte auf.
Ich sagte Misty, was ich gehört hatte, und sie griff zum Telefon, um Sammy anzurufen. Ich gab ihr einen schnellen Abschiedskuss und rannte zur Tür hinaus. Wir hatten ihren Jeep schon reisefertig gemacht, Wasser, Öl und noch einen Kanister Sprit nachgefüllt, mein bisschen Gepäck festgebunden und das Auto warmlaufen lassen. Nun hüpfte ich hinein und schoss an den Puffmobilen vorbei. Ab in die Wüste.
Der Mond schien hell genug, um ohne Licht fahren zu können. Ich wurde auf dem welligen Gelände gewaltig durchgeschüttelt.
Zehn Minuten Wüstenfahrt und ich konnte auf einen leeren, breiten Freeway abbiegen. Eine Stunde später fuhr ich windzerzaust aus der kilometerhohen Wüste auf die Meereshöhe des Großraumes Los Angeles hinunter. Und um vier zuckelte ich an Pismo vorbei. Nachts lässt sichs gut fahren. Bis auf Los Angeles. Da ist der Verkehr zu jeder Zeit eine Katastrophe.
Ich wollte nicht noch mal in die Mission ziehen. Wie eine Falle kam sie mir vor, wie eine Mausefalle, und ich wie die Maus. Blöd, ich weiß, aber ich hatte Angst davor, mich jetzt noch mal in San Miguel niederzulassen. Also fuhr ich dran
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