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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Jahrmillionen als Meeresboden begann und durch Wasser und Wind seine typischen fließenden Konturen bekam. Das nackte Canyon wand sich in den Berg hinein, Sonnenstrahlen reichten hier und da bis auf den Grund. Rote, gelbe und braune Sandsteinschichten glühten dann, als seien sie noch immer überglücklich, endlich vom Wasser befreit zu sein.
    Wo sich hinabstürzendes Wasser gestaut hatte, bildete der Gang einen Halbkreis. Am äußeren Rand der Biegung wurde der Sandstein unterspült und eine Höhle geschaffen, in der ich stehen konnte. Von dort war der Zugang zum Canyon sichtbar, ich konnte an den Joshua Trees vorbeischauen und weit in die wellige Wüste hinein. Sie setzte sich auf den kühlen Stein, ich ließ mich neben sie plumpsen.
    Wir packten den Rucksack aus und futterten. So ein Marsch über Dünen und durch steinige, trockene Flussläufe macht hungrig. Und durstig. Ich hatte im Nu mein Bier getrunken und gierte nach ihrem, aber sie blieb hart und trank es selbst.
    Wenn schon kein Bier mehr da ist, kann man wenigstens ein bisschen bumsen, oder? Fand sie nicht, obwohl ich meine Finger überall hatte. Sie schlug drauf, traf die Linke an recht empfindlicher Stelle, und ich zog beleidigt zurück. Na gut, dann nicht. Wenn´s so ist.
    Die Instinktreaktion tat ihr wohl leid, denn sie nahm meinen Kopf und drückte ihn an ihre Brust. Streicheln hat mich schon immer mild gestimmt. Ich hoffte, dass es bei ihr eine ähnliche Wirkung zeigte. Aber denkste. Sie wollte reden.
    „Schatz, ich habe gedacht, wenn ich liquidiere könnten wir ja zusammenbleiben. Was meinst du?“ Sie schaute wirklich sehr besorgt. Ich streichelte zurück. Sie hatte es nötiger als ich.
    „Wäre schön. Ich weiß nur nicht, wie wir das machen wollen. Ich kann nicht hierbleiben – ich sollte eigentlich schon längst in Mexiko sein, oder in Kanada. Irgendwo, wo ich in Ruhe leben kann.“ Den Stolperstein brauchte ich nicht erwähnen – sie wusste auch, dass man ohne Geld nirgendwo lange in Ruhe leben kann. Und ruhige Anonymität war besonders teuer.
    „An Mexiko dachte ich auch“, sagte sie überraschend. „Ich träume schon ewig von Baja California. Die Leere, die Wüste – genau wie es hier war, als ich herkam. Wir könnten uns dort unten etwas Neues kaufen und von dem, was ich hier bekommen kann, gut leben.“ Sie schaute mich aufmunternd an. Natürlich war ihr klar, dass wir uns hier auf dünnem Eis bewegten, denn ich würde mich auf keinen Fall aushalten lassen.
    „Misty, lieb von dir. Würde ich auch gern, zumal es in Niederkalifornien sagenhaftes Surfen gibt. Aber ohne eigenes Geld gehe ich nicht. Ich bin zu alt, um ganz von vorn anzufangen. Mit Radio ist es da unten in Mexiko nichts, und meine Sendung bringe ich hier nicht mehr an. Die ist tot, und ich komme im heutigen Radiomarkt auch nicht mehr rüber. Zu alt, meine Liebe.“
    Sie wurde sauer. Stocksauer. „Ich kann mir doch denken, was du vorhast. Und ich sage dir – wenn du dich mit denen anlegen willst, mache ich nicht mit. Das sind Killer, die nehmen dich doch vorm Frühstück auseinander.“
    Sie stand auf und ging zur gegenüberliegenden Höhlenwand. Ein Sonnenstrahl erleuchtete die Ecke, und sie stellte sich direkt darunter. Sah aus wie eine Heilige, von oben bestrahlt.
    „Sind sie, das ist mir auch klar. Aber ich kann nicht dauernd laufen. Denn die geben nicht auf, solange ich nicht tot bin. Mein größter Fehler war, dem Dickie die Datei geschickt zu haben, die Tonaufnahme des Mordes an John McHugh. Verdammt. Als ich auf die Sendetaste drückte, wollte ich es schon rückgängig machen. Deswegen ist Dickie umgebracht worden. Ich habe Scheiße gebaut, und ich werde das bis an mein Lebensende bereuen. Was ziemlich bald sein kann, denn die lassen nicht locker, bis ich auch kaputt bin. Und alle, denen ich was erzählt haben könnte. Die Befürchtung habe ich. Du bist also ebenso gefährdet wie ich. Deshalb muss ich mich wehren. Ich könnte mit mir nicht leben, wenn ich jetzt davonlaufen würde, und dir passiert was.“
    Sie machte einen ganz schmalen Mund. Keine Lippen. Schlechtes Zeichen. „Sammy schwört, dass die Typen, die dir an den Kragen wollen, für meinen Ärger verantwortlich sind. Dass die mich dadurch fertigmachen wollen.“ Aber da winkte ich ab.
    „Unmöglich. Wenn die wüssten, dass wir uns kennen, würden die nicht so lange fackeln oder auf Umwegen arbeiten. Die würden hier auftauchen und alles kurz und klein machen. Da ist Sammy auf dem falschen

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