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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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unvermittelt, ob wir uns wirklich an unseren Plan halten würden.
    „Sobald es angefangen hat, gibt´s kein Zurück mehr. Ist dir wohl klar.“
    „Mir ist seit ein paar Wochen vieles klar“, sagte ich ihm. Und mir selbst. Ich konnte mir nicht oft genug in Erinnerung rufen, dass mir nur noch der Kopf durch die Wand blieb. Ein Zurück war für mich schon lange nicht mehr drin.
    „Mein ganzes bisheriges Leben ist im Arsch, und inzwischen sehe ich das als Geschenk des Himmels, mein Lieber.” Ich meinte es ernst. “Denn ich war so festgefahren, dass ich nie wieder von meinem Gammelleben losgekommen wäre. Gesoffen, gehurt, große Pläne und keine Energie, auch nur den einfachsten auszuführen. Und dir ging´s wohl auch nicht anders. Mir ist klar, dass wir entweder dabei draufgehen oder steinreich am Strand in Mexiko sitzen werden. Und ich habe nicht die Absicht, draufzugehen.“
    Mir war fast die Puste ausgegangen. Eine solche Grundsatzerklärung nach solch einer Nacht. Mein lieber Mann!
     
    Er stand an seiner Fahrertür und schaute mich übers Autodach hinweg an. Eine ganze Weile. Ich wunderte mich schon. Dann verzog sich sein Mund. Ganz allmählich. Er lächelte, und dann grinste er. Bis an beide Ohren. Ich fand das ungeheuer lustig und fing an zu lachen. Rick auch. Wir standen auf dem Waldparkplatz, hielten uns am Auto fest und lachten, dass die Tränen rollten.
    Er wartete, bis ich den Jeep angelassen hatte. Dann fuhr er nach Pismo und ich rollte gemächlich nach Norden. Bruder Ignacio wartete auf mich. Wir hatten gestern am Telefon ausgemacht, dass wir uns heute zum Kaffee treffen. In der Kneipe, in der ich auf dem Weg von Big Sur nach San Miguel gefrühstückt hatte. An dem seltsamen Morgen, an dem ich die Drogencops gesehen und gleich den ersten, richtigen Eindruck vom Franziskaner bekommen hatte.
    Ich war noch nicht in San Luis, als mein Telefon klingelte. Ich drückte auf den Empfangsknopf und hörte Ricks Stimme. Er sagte „Mrs. Macarthur“, und legte auf. Mrs. Macarthur. Dass er sich an die erinnerte. Meine erste „richtige“ Lehrerin, die uns Lesen und Schreiben beigebracht hatte, und die uns einbläute, dass Leser mehr wissen. Das stand riesig auf der Tafel im Schulzimmer, und jeden Tag wiederholte sie ihr Motto. Bis wir endlich kapierten, dass sie recht hatte.
    Rick wollte, dass ich meine E-Mail lese. Logisch, oder? Ich fuhr durch San Luis, brummte den steilen Cuesta Grade hoch und hielt auf der anderen Seite, im Tal kurz vor Santa Margarita.
     
    Er hatte nur kurz geschrieben. „Besuch bei mir – ich fahre weiter“, stand da. Ich antwortete mit „The Big Seal?“ Sofort kam ein „sofort“ zurück. Mein Radioprogramm lief jahrelang bei einem Rocksender namens K-SEL im winzigen Cambria, an der Küste kurz vor Big Sur. Rick war ein gewaltiger Fan, sagte er mir, und bedauerte, als der Sender seine Klangfarbe vom fetzigen Blues und Rock zum einträglicheren Säuselrock wechselte.
    Aus „The Seal“ war „The Sail“ geworden, und mit der Namensänderung war auch die alte Hörerschaft woanders hingesegelt. Was dem Eigentümer nur recht war. Seine Hörer galten bei werbetreibenden Geschäftsleuten in der Gegend als Totalpenner, als Tagediebe und Langhaarstrolche. Als Armeleutesender war die Bude verschrien, als Junkie-Musikbox. Solche Typen lassen kein Geld liegen, war die einhellige Meinung der Werbefritzen, also hatten wir uns jahrelang am Existenzminimum herumgeschlagen.
    Nun hörten Hausfrauen und Büromannschaften zu, der Sender dudelte in Läden und den wenigen Fahrstühlen im ländlichen Landkreis, und er verdiente sich dumm und dämlich.
     
    Ich war eine halbe Stunde nach unserer E-Mailerei dort und setzte mich mit Senderchef Brad in den Empfangsraum. Nicht mehr unser schwacher Automatenkaffee brutzelte stundenlang stinkend vor sich hin, sondern eine italienische Espressomaschine bot die Wahl zwischen Espresso, Cappuccino und Cuban Blend, was immer das sein mochte. Die Oma, die uns bei der Stange gehalten hatte, war von einer geschnürten, miniberockten Rothaarigen abgelöst worden, der ich meine gerne zum Halten hingestreckt hätte.
    Brad hatte Bauklötze gestaunt, als ich in sein Büro marschierte. Ich war immerhin seit Wochen offiziell Leiche, und er klopfte und fummelte, bis jeder Zweifel an meiner Vitalität ausgeräumt war.
    „Da hat jemand dem Publikum einen gewaltigen Bären aufgebunden“, staunte er. „Ich habe dich selten gesünder gesehen.“
    „Gesund, ja. Fragt sich

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