Geier (German Edition)
Vierzigwattbirne brannte über der Hintertür. Wir klopften.
Ein Augenpaar schaute uns durch die winzige Öffnung böse an. Die Klappe in der Stahltür wurde schon wieder zugeschoben, als ich leise sagte, dass wir Klubmitglieder werden wollten. Er machte den Schieber wieder auf, schaute noch mal, und öffnete die Tür.
„Woher seid ihr beiden denn?“ Der Typ hatte einen Oberkörper, gegen den Moreno wie ein Waisenknabe wirkte. Er trug das größte Hemd, das ich je an einem gesehen habe, aber es spannte über Brust und Oberarmen. Mit dem wollte ich mich nicht anlegen. Ich zog die Rübe ein und ließ Rick den Vortritt.
„Ich wohne in Pismo“, sagte Rick, „und mein Freund ist aus dem Norden zu Besuch. Wir wollen noch nicht nach Hause, wollen noch ein paar Drinks, und ich habe schon oft gehört, dass es bei euch lustig ist. Ich bin Telefonaffe – ich klettere auf die Masten und zapfe Leitungen an“, grinste er. Der Muskelbepackte fand das auch lustig. Er hielt die Hand auf und verlangte einen Hunderter. „Für uns beide?“ fragte der naive Rick.
„Nee, für jeden.“ Was soll der arme Kerl auch antworten? Rick zog zwei Scheine aus der Hosentasche, und der Türsteher wurde sehr freundlich. „Wenn ihr Bullen seid….“ sagte er, und beendete den angefangenen Satz mit einem Fragezeichen. Rick schüttelte heftig den Kopf, während ich lachte. „Sind wir nicht, aber wenn welche kommen, laufen wir als erste.“ Er nickte mit Pokermiene und hielt uns die zweite Eingangstür auf.
Stockfinster war es. An den Wänden sorgte funzelige Notbeleuchtung dafür, dass sich die Kakerlaken nicht verirrten, über zwei Billardtischen brannten rote Christbaumbirnchen. Nur hinterm Tresen leuchtete eine ordentliche Birne, damit der Fettsack Geldscheine unterscheiden konnte.
Bummvoll war die Bude. Sah aus wie die Kneipenszene im Star Wars. Lauter Unschöne. Sogar die Frauen waren seltsam hässlich. Wir setzten uns an den einzigen freien Tisch, einen Zweiertisch an der Wand, über dem eine Winzelbirne schwach gelb leuchtete. Rick drehte das Birnchen aus der Fassung, was ich als überflüssig empfand. Kein Helligkeitsunterschied.
Wir bestellten Bier. Zwei Bier. Die kosteten zehn Dollar, als sie auf den Tisch gestellt wurden. Rick fragte nicht mehr, ob das pro Bier oder insgesamt sei. Der reichte dem Muskelprotz einen Zehner, was der wohl als ausreichend empfand, denn er steckte ihn in die Tasche und eilte in die gegenüberliegende Ecke, wo einer einem eine gehauen hatte. Über den Tisch hinweg. Was den Geschlagenen dazu brachte, blitzschnell ein gewaltiges Bowiemesser aus dem Stiefelschaft zu ziehen und sich, breitgebückt hüpfend, mit ausgestrecktem Messer seinem Peiniger zu nähern.
Der Wirtssohn trat es ihm aus der Hand und schlug ihm die Handkante ins dargebotene Genick. Batsch. Der Messerheld lag flach, sein Kontrahent streckte dem Ruhestifter dankbar die Hand hin. Der nahm sie und drehte sich um die eigene Achse. Wir hörten das Knochensplittern bis hierher.
Die Geschäftsleitung war konsequent. Erst wurden beide Streithähne zur Hintertür hinausbefördert, der stille und der vor Schmerz brüllende, dann trat der Herr Filius in den Saal und fragte in den Saal hinein, ob sich noch jemand streiten möchte. Ein allgemeines Gemurmel sollte wohl als Nein aufgefasst werden. Der Wirt schaltete die Jukebox wieder ein, die ersten Gläser klirrten wieder, Gespräche kamen auf und eine Frau lachte.
Rick und ich rückten unsere Stühle näher zum Tisch, beugten uns über ihn und begannen zu reden.
31 Cherie
Es war hell, als wir aus dem Billardpuff kamen. Auf der Straße war Hochbetrieb, der Donutbäcker zwei Häuser weiter hatte seinen Laden voll und vom Flugplatz her, auf der Strandseite der Eisenbahnschienen, dröhnten alte Kolbenmotoren. Am Wochenende war Flugtag, und seit einer Stunde kamen Teilnehmer aus allen Richtungen angeflogen.
Oceano ist einer der wenigen Kleinstadtflughäfen, deren Start- und Landebahn direkt über den Strand führt. Und über den Zeltplatz. Deswegen wohl waren ab sechs Uhr Touristen in die Kneipe gewankt. Durch die Vordertür, die während der offiziellen Ausschankzeiten geöffnet war und deshalb ohne Mitgliedsbeitrag benutzt werden durfte.
Rick und ich hatten Nägel mit Köpfen gemacht. Jetzt, am helllichten Tag, hatte ich Bedenken. Er offensichtlich auch, denn wir stapften schweigend den Sandweg hoch zum Wald. Als wir am Auto ankamen, fragte er mich
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