Geier (German Edition)
Dickie sein Computerergebnis auf Tonband überspielte. Für die Cops. Er traute denen keine Audiokenntnisse zu, und Computeraudio schon gar nicht.
Dickie schaute viel zu oft auf die Armbanduhr, und als er mit dem Band fertig war, murmelte er leicht verlegen etwas von schon viel zu spät dran, und versprochen, heute mal pünktlich zu sein. Er stürmte die Treppe hoch. Florence und ich gingen zurück in den Sender und warteten auf die Bullen.
Ich hatte einen Mordshunger, und die Greifer kamen nicht. Ich ließ Florence wissen, dass ich auf eine halbe Stunde zum Fish & Chips ginge, um was zu essen.
Kaum trete ich durch den Torbogen auf den Parkplatz hinterm Haus als schon einer auf mich schießt. Unvermittelt. Ich hörte den Schuss und spürte gleichzeitig ein Brennen im Arm. Also hechtete ich unter den alten Kombi, den Bob seit Jahren da stehen hat. Es knallte noch zweimal, knapp, trocken und bösartig, dann war Ruhe. Ich robbte arschwackelnd rückwärts durchs Tor, schabte mir auf dem Beton der Durchfahrt den Bauch auf und trat gegen die Tür zur Hotelküche, die auch prompt aufging. Mein Arm war ganz in Ordnung – der blutete etwas, aber die Haut war nur angeritzt.
Glück braucht der Mensch, und ein neues Hawaiihemd. Meines war aufgerissen und blutgetränkt. Der mexikanische Hilfskoch, der um diese Zeit gerade Kartoffeln schälte, schaute mich verängstigt an und hob sein Kartoffelschälmesser. Trotz meiner Situation musste ich lachen. Die lustlose Drohung des armen, erschrockenen Kerls kam gegen die Intensität blauer Bohnen nicht an.
Durch die Küche und vorne raus. Da knallte es schon wieder – gegenüber, bei Mom´s Restaurant auf dem Dach, stand einer und schoss. Ich zog die Rübe wieder rein, warf die Tür hinter mir zu und rannte zu Dickie in den Keller. Der war nicht mehr da, aber ich wusste ja, wo er ein- und ausging, wenn er jemanden dabei hatte, mit dem er sich den langen Arbeitstag versüßte. Hinter einer Reihe alter Holzkisten war eine Stahltür, die zur Kanalisation hinunter führte. Von dort aus kam man trockenen Fußes in die Nebenstraße, die am Meer endet.
1942, als die Westküste täglich mit der japanischen Invasion rechnete, wurden Hunderte solcher Notausgänge durch Kellerwände gestemmt. Am Rande des Parkplatzes beim Pier war der nächste Kanaldeckel, zu dem ich die Sprossen hinaufkletterte. Eng war´s – ich staunte immer mehr über den Dickie, der hier durchpasste. Mit seiner Wampe war das ein Wunder, und mit den körperlichen Auswirkungen der Vorfreude nahm er ja noch mehr Platz ein. Wenn´s auch nur ein paar Zentimeterchen waren.
Die Scheiße war ja wohl, dass ich jetzt mit dem Rücken zur Wand stand. Ich musste weg, aber ich konnte nicht. Der Cadillac war auf dem Hotelparkplatz, wo ich um Haaresbreite durchlöchert wurde, die Harley bei mir zu Hause im Schuppen, und da wartete sicher einer.
Neben dem Parkplatz, direkt am Sand, befindet sich ein altes Warenhaus, darin der Surfbrettverleih und die Wohnung von Kamehameha O´Connor. Mit dem war ich früher dick befreundet, als wir beide noch fleißig von einem Surfturnier zum nächsten fuhren. Wir hatten uns ewig schon nicht mehr gesehen, und da war auch was mit seiner Freundin und mir, aber das zählte im Moment nicht. Wenn Kami mich telefonieren ließ, konnte ich hier weg. Ich klopfte.
Er war braun wie eine Haselnuss, trug ein fast weiß gebleichtes Hawaiihemd und ausgefranste, unterhalb der Knie abgeschnittene Jeans. Und er stank wie ein Schwein. Seine Wiedersehensfreude hielt sich in Grenzen, was mich nicht überraschte. Aber er hielt mir die Tür auf.
„Komm rein. Was willst Du?“
„Telefonieren. Und wenn´s dir nichts ausmacht, könntest du die Tür wieder zumachen und so tun, als seien wir alte Surferbuddies.“
Er schloss die wacklige Holztür und reichte mir sein Telefon. So eines hatte ich seit Jahren nicht gesehen – runde Wählscheibe, schwarzes Bakelit, schwerer, schmuddeliger Hörer. Ich steckte den Finger in entsprechende Löcher und verlangte Julie. Die auch sofort ans Rohr kam. Man kannte schon meine Stimme beim Zulassungsamt, schien mir.
„Sweetheart, ich muss hier sofort weg. Meinst du, du könntest mich hier abholen? Gleich? Sofort?“ Sie hörte wohl, dass es drängte. Sie fragte nur wo, und als ich´s ihr sagte, legte sie auf.
„Vorhin hat´s geknallt. Was mit dir?“ Kamehameha war schon als Kind ein Wunder an ökonomischer Sprechweise. Ich nickte. Was mit mir. Er fragte
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