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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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wurde, je nachdem. Dann fuhr ich weiter Richtung Osten.
    Endlich tat sich was. Die seit Tagen trübe Stimmung ließ die ersten Lichtblicke zu. Wird schon werden.
     
    Als es dunkelte, war ich in Lake Isabella und wusste vor Panik nicht ein noch aus. Ich hatte am Nachmittag ein Motelzimmer am Rand des Sees bezogen, hatte im nahen Wald eine Stunde lange die Beine vertreten und war dann mit einem Sixpack Bier in mein Zimmer zurückgekehrt. Gerade rechtzeitig, um die Sechsuhrnachrichten zu sehen.
    Der Sender aus Bakersfield brachte eine Story über die Auszeichnung einer örtlichen Grundschullehrerin durch den Gouverneur, blendete zu einer Liveaufnahme über, die aus der Luft einen Autodieb verfolgte, der von einem halben Dutzend Streifenwagen mit Sirene und Light Show gejagt wurde, und dann hörte ich meinen Namen. Am frühen Nachmittag, las der weißhaarige, haselnussbraun geschminkte Sprecher mit sonorer Stimme und hohlem Pathos, sei in einem Auto in Striker Beach eine Bombe explodiert. Der an der Küste bekannte Rundfunkmoderator Jon „Rocket“ Gutman, dem das 1976er Cadillac Cabrio gehört habe, sei bei der Explosion ums Leben gekommen.
    Wie im Traum hörte ich, dass ich laut Auskunft der Polizei schon lange des Drogenhandels verdächtigt wurde, und dass die Bombe nach Meinung der Behörden ein Racheakt einer konkurrierenden Drogenbande gewesen sei. Der Schuppen, in dem der Discjockey neben seinem Auto auch eine weithin bekannte Tonträgersammlung aufbewahrte, sei bei der heftigen Detonation vollständig zerstört worden, Gutman selbst solle anhand eines Desoxyribonukleinsäuretests identifiziert werden, obwohl die Behörden keinen Zweifel an seiner Identiät hätten.
    Über Desoxyribonukleinsäure hätte der Schönling fast seinen Job verloren; beim dritten Ansatz brachte er verlegen grinsend das schwierige Wort rüber, allerdings ohne den Säure-Zusatz. Das habe ich noch mitgekriegt. Bei so was schaltet das Fachinteresse den Autopiloten ein. Da kann ich noch so besoffen oder bestürzt sein.
     
    Bestürzt? Panisch, völlig aufgelöst. Dass Dickie an meiner Stelle starb, war völlig klar. Dass die mich mit allen Mitteln ausschalten wollten, das hatte ich schon vorher befürchtet. Ich schloss die Tür ab, klemmte eine Stuhllehne unter den Drehgriff und igelte mich erst mal ein. Unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich trank in Windeseile meinen Sixpack leer, damit ich wenigstens schlafen konnte. Umsonst. Ich lag gut angesoffen und hellwach unterm Bett, traute mich nichtmal aufs Klo und pinkelte auf den Teppich. Mir war alles scheißegal.
     
    Und dann klingelte das Telefon. Nicht das Handy, sondern das Zimmertelefon.
     
    Ich griff meinen Backpack, zog mir die Hose an und verließ im Galopp das Motel. Einige Zeit später war ich im tiefsten Sequoienwald, irgendwo zwischen Lake Isabella und der Mojavewüste. Das Handy hatte ich schon vorher in hohem Bogen von einer Talbrücke geworfen, meine Harley nach Wanzen gecheckt, mein Zeug ausgebreitet und in meinem Suff tapsend abgegriffen. Nichts. Und doch hatte mich jemand angerufen.
     
    Ich stellte das Bike unter eine Tanne, klopfte mir ein Bett aus Tannennadeln und Farnen zurecht und schlief ein.
     
    Ich schlief erstaunlich gut. Der Schreck saß mir noch immer in den Knochen, aber er hatte zusammen mit dem vielen Dünnbier, in höchster Eile geschluckt, für eine mehrstündige Vollnarkose gesorgt. Ich fühlte mich beschissen, weil ich schon im Aufwachen an den armen Dickie denken musste – und das Unterbewusste nie aufgehört hatte, sich selbst Johns Schicksal immer wieder vorzuhalten.
    Was war nur los? Wie die Fliegen starben sie um mich herum. Wann bin ich dran? Ich spürte förmlich das Messer an der Kehle, hielt das Ziehen im Bauch für Vorboten des Einschusses und den Brechreiz für einen Indikator meines miesen geistigen und körperlichen Zustandes. Zum Kotzen war mir. Die ganze Welt hatte sich gegen mich verbündet.
     
    Gleichzeitig war mir seltsam leicht im Kopf - meine Situation wurde immer überschaubarer. Ich musste mir keine großen Sorgen um die Zukunft machen, ich musste nicht komplizierte Pläne aushecken oder länger als ein paar Stunden, vielleicht ein oder zwei Tage vorausschauen. Überleben. Punkt. Auf mehr konnte ich nicht hoffen.
    Mir gingen Dschungelvisionen durch den verkaterten Kopf. Darwin.
     
    Bis Mojave fuhr ich etwas über eine Stunde. Kurz vor sieben kam ich in die Stadt am Rande der gleichnamigen Wüste. Mojave liegt noch in

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