Geier (German Edition)
Drogenbullentriumvirat unter einer riesigen Decke. Bei Milt wusste ich, dass Blödheit eine große Rolle spielte, aber da liefen doch ein Haufen Goldbetresster herum, die anscheinend alle moralisch nicht ganz einwandfrei waren.
Von meiner Mutter wollte keiner was. Die wurde überhaupt nicht erwähnt, was mich freute. Nicht, dass sie sich auch noch vorsehen musste.
Punkt neun stand ich in der Stadtbücherei, mit abrasiertem Bart, wirrem Haar und straff in die Hose gestecktem Hemd unter offener Jacke. Die frisch freigelegte Gesichtshaut leuchtete in jungfräulichem Weiß, also schmierte ich mir etwas Dreck aufs ehemalige Vollbartstramin. Ich sah aus und kam mir vor wie einer, der zu down ist, sich eine Zeitung zu kaufen und nach Jobinseraten zu gucken. Wie die vielen, die jeden Tag City Libraries in ganz Amerika besetzen.
Ich schlurfte an einen der Internetcomputer, warf meinen Vierteldollar rein und druckte meine E-Mail aus. War nur die Nachricht von Bruder Ignacio, allerdings clever als elektronische Wurfsendung eines als Stripakademie akademisch aufgemotzen Stripklubs in der Wüste getarnt. Über dem Foto einer splitternackten Schüchternen und unter der Schlagzeile, die versprach, dass im Klub außer den Gästen alles nackt sei, standen der Name der Inhaberin, die Anschrift und Telefonnummer des Betriebes.
Ich hätte mich nachträglich in den Arsch beißen können, weil es relativ einfach war, in ein E-Mail-Konto einzubrechen. Wer ein Telefon abhören konnte, der lächelte da nur. Natürlich wussten meine Mörder, dass sie den Falschen erwischt hatten – davon war ich überzeugt. Aber sie müssen ja nicht unbedingt wissen, von wo aus ich meine Post abgerufen habe.
Ich löschte sofort nach dem Ausdrucken zwar meinen gesamten Nachrichtenbestand und überprüfte sicherheitshalber, ob auch alles unauffindbar im elektronischen Orkus war, aber wer weiß, wozu so ein Hacker fähig ist. Die Adresse, die mir der gute Brother Ignacio durchgereicht hatte, war runde achtzig Meilen von hier – in der Wüste keine Entfernung. Eine Ranch in der Nähe Barstows.
Ich setzte den Helm auf, zog den Schal um den Mund und brauste los.
12 Wüste Wüste
Von Nordwesten her kam ich in die Innenstadt von Barstow. Hier fiel ich nicht auf, hier würde keiner wegen mir den Kopf drehen. Denn Barstow ist Harleyhimmel. In diesem stinklangweiligen Wüstenkaff fährt alles, was sich seiner Männlichkeit nicht ganz sicher ist, ein Bike aus Milwaukee. Dicke und Dünne, Schnieke und Schmuddelige, Alte und Junge, alles fährt Harley. Dealer und Bankräuber, Apotheker und Investmentbanker, jeder hat eine. Ein reiner Rummelplatz. Ich winkte ständig Markengefährten zu. Die winkten nicht zurück. So alltäglich sind Harleys in der Gegend.
Zehn Meilen außerhalb der Stadt, wo der Mojave River in sandiger Umgebung verschwindet und die nächsten vierzig Meilen unterirdisch dahinplätschert, geht eine Privatstraße vom Staatshighway rechts ab. Ein einziges Schild stand da. Ein handförmiger Pfeil deutete neonbunt in die Ferne und die Aufschrift verhieß, dass dort „Alles Nakt“ sei. Ich nahm an, dass der dyslexische Schildermaler das günstigste Angebot abgegeben hatte und der Kundschaft des beschilderten Etablissements derartige Feinheiten völlig egal waren. Ich war nämlich unterwegs zur Stripakademie, und die bot abends Kostproben des Erlernten. Keine alltägliche Empfehlung eines Mönchs. Obwohl man ja weiß, dass Ordensbrüder allzu oft auch nur Männer sind. Aber immerhin.
Die Akademie bestand aus einem zweistöckigen Wohnhaus, daneben ein lang gestreckter, fensterloser Flachbau, der ursprünglich wohl der industriellen Hühnerhaltung diente und über dessen Eingangstür nun ein grautrübes, unbeleuchtetes Neonschild WELCOME STRANGER wünschte. Darunter stand eine aus Leuchtgasröhren geformte breitbeinige Langhaarige mit acht Arschbacken. Ich nahm an, dass die nachts nacheinander aufblitzten und damit einen in erotischem Überschwang gewackelten Po darstellten.
Etwas zurückgesetzt standen vierzehn Wohnanhänger im Halbkreis. Silbrig glänzende, windschnittig gerundete, in den Fünfzigern beliebte Airstream-Campinganhänger aus Aluminium, jeder mit Häkelvorhang im einzigen Seitenfenster und einer zweistufigen Holztreppe vor der überdachten Tür. Mittendrin erhob sich ein hölzerner Strommast, von dem ein Spinnenetz hing; zu jedem Anhänger führte eine durchhängende Leitung. Wie ein halbierter Maibaum
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