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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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seines Bowlingballkopfes noch betonte. An seiner Brust klebte so ein rechteckiger Vordruck, wie man ihn von Konferenzen und Handelskammerfeten kennt. „Hi, My Name Is“ stand da drauf, und darunter hatte er in gotischen Druckbuchstaben Brother Ignacio geschrieben. Ich erschrak. Hollywood. Soutanen sieht man nur in Hollywoodfilmen. Hier saß eine echte.
     
    Ich muss wohl verblüfft geschaut haben, denn er legte einen Zeigefinger an seine Lippen, stand auf und winkte mir, ihm zu folgen. Wir traten durch eine schmale Innentür und waren im Kirchenschiff. Er wackelte vor mir her und deutete auf die steile, bunt bemalte Holztreppe, die zum halbhoch im Raum angebrachten Altar führte. In spanischem Kolonialstil gehalten, glich der überdachte Altar einem an die Wand genagelten Schilderhäuschen mit Veranda. Ich wetzte die Treppe hoch und legte mich flach auf den Boden des sakralen Brettergestells. Und hörte, wie eine schwere Tür aufflog und Männer mit lautem Gestampfe in die Kirche kamen.
     
    „Grüß Gott“, flötete der Soutanenträger, aber der Tonfall traf nicht die Stimmung der Herren.
    „Wir suchen einen Flüchtigen: Motorrad, Lederjacke, Helm, Schal, Stiefel. Weiß, etwa vierzig, sechs Fuß, hundertachtzig Pfund. Bewaffnet und extrem gefährlich. War der hier?“ Die Stimme war mir unbekannt.
    „Meine Herren, sie sind hier im Hause Gottes“, wehrte der Priester ab. „Sie können doch nicht einfach hier hereinkommen....”
    „Halt´s Maul, Opa.“ Der Indianer. „War der da – ja oder nein?“
    „Nein – so einer war nicht hier.“ Log wie gedruckt, der Pfaffe. Die Kerle scharrten noch kurz und machten sich türenknallend aus dem Staub.
     
    Der reine Nazifilm. Ich konnte kaum fassen, wie die Cops sich benahmen. Wie die Schergen. Junge, Junge. Mein Herz rappte Tripletime.
    Ich spitzte die Ohren, aber sie schienen weg zu sein.
    „Sie können jetzt wieder herunterkommen“, sprach der sanfte Missionsbruder. Ich schaute ihn wohl fragend an, denn er meinte, er habe ja nicht gelogen. „Sie wiegen niemals hundertachtzig Pfund. Und außerdem kann man nicht sagen, sie seien da gewesen, wenn sie ja noch hier sind.“ Stimmt. Ein Semantiker.
    Ich grinste ihn an. Er grinste zurück.
    „Thanks, Padre.“ Kam von Herzen.
    „No problem“, meinte der Kuttenträger. „War selber mal Cop“, überraschte er mich, „und kann am Auftritt sofort die Guten von den Miesen unterscheiden. Wegen solchen Geiern habe ich den Beruf gewechselt.“ Sachen gibt´s.
    Netter Typ. Einer, der aus dem Stegreif handelt. So einer fehlt mir, damit ich wieder mal klar denken kann, ging mir durch den Sinn. Ich war versucht, ihm die Scheiße zu erzählen, in der ich steckte, entschied mich allerdings sofort dagegen. Weiß ich, wie der reagiert? Nachher nimmt der mich noch fest, weil Tote in Big Sur sein Verständnis menschlicher Schwäche übersteigen. Aber vielleicht gab es doch eine Möglichkeit.
    „Padre, dürfen eigentlich Nichtkatholiken beichten?“
    „Klar, mein Sohn. Jeder darf beichten. Allerdings kann ich Nichtmitgliedern keine Absolution versprechen, aber Rat und ein offenes Ohr beim Chef.“ Er deutete lässig auf den einzigen Beichtstuhl im Saal. Ich folgte ihm.
    „Und unser Gespräch fällt ganz sicher unters Beichtgeheimnis?“
    „Natürlich. Ich bin nur eine Art Telefonleitung nach oben. Du brauchst dir also keine Gedanken über mich oder meinen früheren Job machen.“ Kluger Mann. Kannte seine Sünder.
    Ich legte also los. Erzählte ihm kurz, wer ich bin und was ablief. Wirklich nur in groben Zügen. Als ich zum seltsamen Verhalten der Drogencops kam, machte er ein Aha-Gesicht.
    „Logisch – das Drogenbusiness läuft unter deren Schutz ab. Denn die haben einen da drin, den sie führen; vermutlich den Chef. Der wird ihr Kronzeuge, der sagt irgendwann gegen seine Lieferanten oder seine Konkurrenz aus, und den pflegen sie.“ Brother Ignacio kannte sich wirklich aus.
    „Solchen Cops wünsche ich die Pest an den Hals“, fuhr er fort. „Die machen alles kaputt, was vom ursprünglichen Gerechtigkeitsgebot der Verfassung noch übrig ist. Dein Drogenboss kann effektiv machen, was er will. Alle seine Handlungen sind durch sein Versprechen, vor Gericht auszupacken, von der Staatsgewalt gedeckt.“ Ich hatte Angst, dass ihm eine Ader platzt, so sehr regte er sich auf.
    „Erinnerst du dich an Sammy The Bull Gravano, den Mafiakiller?“ sprach er gestikulierend weiter. „Der mordete erst richtig, als er mit dem FBI

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