Geier (German Edition)

ihr, dass ich ungefähr einen Tausender auf ihre Kreditkarte knallen würde, und machte mich aus dem Staub. Der Jeep stand hinter ihrem Studiogebäude. Ich ging die Stufen hinunter, was den Köter wieder zu einem Tobsuchtsanfall animierte, und überquerte den Schotterweg. Irgendeiner hatte seinen Aschenbecher direkt auf dem Parkplatz geleert, was mich unerklärlicherweise stocksauer machte. Irgendwer gestern Nacht, wahrscheinlich. Einer der Showbesucher.
     
    Die Tür des mittleren Anhängers ging auf und eine hübsche, höchstens zwanzigjährige Naturblondine trat hinaus in den Sonnenschein. Splitternackt. Scheint hier Mode zu sein. Sie sah mich und lächelte ein „Hi“, bückte sich nach ihrem Hund, nahm ihn auf den Arm und ging an mir vorbei, zum Haus hinüber. Ich wollte ihr nicht nachstarren, aber ich war baff, dass sie so bedenkenlos die Ware herumzeigte. Müsste mal Misty fragen, ob das öfter vorkommt.
     
    Wenn´s juckt, sagt der Volksmund, soll man kratzen. Was schlecht ging, so nah am Haus. Es juckte sogar ganz furchtbar. Vielleicht würde irgendwann mal gekratzt werden. Ich hoffte sehr.
     
    Zwanzig flotte Minuten über grauenvolle Straßen, und ich war in Barstow. Der Jeep ist für so ein Wüstendasein das ideale Fahrzeug. Robust, wendig und offen. Was auch seinen Nachteil haben kann – mich hatte einer der häufig auftretenden, Sandteufelchen genannten Mini-Tornados überholt und mit einer feinen Sandschicht paniert. Aber bei der ewigen Sonne in dieser Hochwüste wird ein Cabrio wenigstens genutzt. Ich trauerte meinem Cadillac nach. Und hatte dadurch natürlich sofort wieder John und Dickie auf dem Gewissen.
    Die beiden würden mich lange nicht in Ruhe lassen. Das war mir klar, aber ebenso klar war, dass man da überhaupt nichts machen kann. So ein schlechtes Gewissen ist wirklich kein gutes Ruhekissen, aber ich nehme an, dass es im Laufe der Zeit das Geschehen mildert, die Erinnerung abstumpft, die Vorgänge vielleicht sogar in ein frisches, neues Licht taucht und den vom Gewissen Gebissenenen dadurch entlastet.
    Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass mich die Morde nicht losließen. Dass die Erinnerung jederzeit in den Vordergrund treten kann, mich zusammenzucken lässt, alle Verdrängung durchstößt und als nackte, bluttriefende, entsetzliche Schuld mein ganzes Fühlen einnimmt.
     
    Der Elektroniksupermarkt hatte einen Sonderposten leicht angeschlagener, ansonsten neuer Laptop-Computer. Ich kaufte mir für knappe fünfhundert Dollar einen, der alles hatte, was ich brauchte. Computer sind wie Autos. Wenn die Dinger nur genügend Dampf haben, ist alles andere zweitrangig. Dieser hatte jede Menge. Wi-Fi, eine ordentliche, achthundert Gigabyte dicke Festplatte, wo jede Menge draufgepackt werden konnte – und da ich einige Tonaufnahmen speichern und bearbeiten würde,sind möglichst viele Gigabytes angebracht – und siebzehn Zoll Bildschirm zum Angucken. Insgesamt ganz ordentlich. Für den Preis.
    Ich nahm sicherheitshalber noch eine externe Festplatte mit, damit auch mal größere Folianten gespeichert und mitgenommen werden konnten. Dann holte ich noch mein Telefon ab.
    Na, also. In Business.
     
    Weil es so ein schöner Nachmittag war, fuhr ich noch in die Stadt hinein. Zockelte die Barstow Road hinunter bis zur Main Street und bog rechts ab, auf East Main. Drei Straßenkreuzungen weiter war ein Denny´s, in dem ich Jahre zuvor mal gegessen habe, und dort wollte ich hin. Eine Kleinigkeit essen, einen Eisbecher oder ein Stück Apple Pie a la mode, mit viel Vanilleeis. Und einen Kaffee. Dringend Kaffee.
     
    Ich rutschte also vor einem auf der Gegenfahrbahn abbiegen wollenden Rosthaufen auf das Gelände beim Denny´s und musste sofort anhalten, weil irgend so ein Idiot gerade mit seiner dunkelblauen Beamtenmühle ohne zu gucken rückwärts aus dem Parkplatz schlich. Hinter mir schaukelte der Abbieger über den Bürgersteig und musste auch notbremsen.
    So ein Arschloch, da vorne.
    Das Arschloch hüpfte, als ich hupte. Der hätte mir sonst glatt den linken vorderen Kotflügel geplättet. Der zuckte also zusammen, trat voll auf den Bremshebel und drehte sich wütend nach mir um.
    Ich dachte, ich sehe nicht recht. Running Bear. John Running Bear saß da mutterseelenallein in seinem Chevrolet mit steuerbefreitem Behördenkennzeichen, fuhr wie ein Anfänger rückwärts, und erkannte mich natürlich sofort.
    Ich knallte den Rückwärtsgang rein, zerknautschte dem hinter mir zum Stehen gekommenen