Geier (German Edition)
meines jungen Lebens. War er doch mit den anderen im Bunde? Sammy lachte und schüttelte den Kopf.
„Wenn Conaway Sie morgen früh nicht bei sich im Büro sieht, dreht der durch. Also werde ich den Lümmel besuchen gehen und ihm ein paar Geschichtchen zur Auswahl dalassen. Damit haben wir einige Tage Zeit gewonnen. Und die nutzen Sie, um sich neu einzukleiden, sozusagen. Neue Identität, dazugehörige Papiere, Look, Auto, alles. Lassen Sie mich noch schnell einen Einkaufszettel machen, und dann tuckern Sie los. Heute Nacht noch. Die Ortscops dürfen Sie ab sofort auf keinen Fall mehr sehen.“
Ich sollte die letzten fünfhundert Meter zu Fuß über den Golfplatz gehen, meine Sachen packen und über die Brücke nach Arizona fahren.
Auf der anderen Seite des Flusses begann eine Jurisdiktion in der die Polizei Laughlins nichts zu suchen hatte, erklärte Sammy. Die Nevadabullen durften auf dem gegenüberliegenden Flussufer nichtmal ihren Dienstrevolver tragen. Und wenn sie mich dort drüben wussten, konnten sie mich nicht etwa von ihren Kollegen verhaften lassen, sondern mussten über das Justizministerium Nevadas einen Auslieferungsantrag an das Justizministerium des Staates Arizona stellen. Der dann bis vors Oberste Gericht des Staates verhandelt werden kann, ehe er in Kraft tritt.
Auf der gegenüberliegenden Flussseite war ich erst mal sicher, versprach der Anwalt.
Dort könnte ich von ihm übernehmen, was er für mich zurechtgelegt hatte, und irgendwohin weiterfahren.
Ich verließ mich da ganz auf ihn.
20 Indianergänge und Nevadaknast
Wir verabredeten, uns in einer Bikerkneipe direkt am Colorado in Bullhead City zu treffen. Als ich ankam, war von Sheerstein nichts zu sehen. Von außen sah die Kneipe nach Armut und Baracke aus, aber innen gab eine riesige Fensterwand den Blick auf den Fluss und die am Nevada-Ufer stehenden Kasinos frei. Irre, wie bunt Laughlin um Mitternacht leuchtete.
Ich bestellte Kaffee, was den Dicken mit dem schmierigen Pferdeschwanz und den vielen blauen Tättowierungen erschütterte. Er setzte eine frische Kanne Kaffee auf, stellte mir schon mal einen Styroporbecher und Zuckerersatz hin, und widmete sich wieder dem einzigen anderen Gast. Die beiden blickten ab und zu in meine Richtung. Ich tat, als freue ich mich auf den Kaffee.
Als Sammy die Tür aufknallte und mit lautem Gruß in die Pinte trat, kam schlagartig Stimmung auf. Barkeeper und Gast begrüßten den Anwalt erfreut. Der kannte beide scheinbar recht gut, und man scherzte unter Wahrung der jeweiligen Würde. Die Bekanntschaft war offensichtlich über den jeweiligen Beruf zustande gekommen. Jeder hatte über die Spezialität seines Gesprächspartners etwas Interessantes oder Lustiges zu sagen. Mein Anwalt strahlte, als ihn einer der Herren Halsabschneider, Winkeladvokat und gar Mouthpiece nannte. Besonders die Berufsbezeichnung Mundstück, normalerweise Mafia-Rechtsbeiständen vorbehalten, haute hin; die Stimmung wurde zum Feuerwerk.
Sammy setzte sich neben mich, und urplötzlich stand der fette Pferdeschwänzler mit seinem Kaffee da, der schon längst fertig war, und murmelte: „Sorry, Mann, ich wusste ja nicht....“ Ich winkte ab. Sammy gefiel mir sogar noch besser als bisher. Wer so eingeführt war, der kannte sich mit jeder Sünde aus.
„Also – ich habe alles im Auto. Ich brauche von Ihnen erst mal eine getragene Jacke, ja keine frisch gereinigte. Eine, die Sie um diese Jahreszeit anziehen würden. Und Schuhe. Keine allzu guten, sonst klaut die noch einer. Dann brauche ich Ihre Papiere: Führerschein, Sozialversicherungskarte, Ausweise und Kreditkarten, alles, was man so herumschleppt. Und Sie schreiben mir einen Abschiedsbrief. Ich diktiere. Den nehme ich und werfe ihn ein. Und zuletzt brauche ich noch ein paar rückdatierte Unterschriften, falls wir Vollmachten oder sonstige Berechtigungen vorlegen müssen. Dann hauen Sie ab, und morgen Nachmittag sind Sie offiziell tot.“ Er trank seinen Cognac aus und grinste mich zufrieden an.
„Also gut. Haben Sie die Sachen dabei?“
„Bin ich wahnsinnig? Wo jederzeit die Polizei in diese miese Pinte kommen und uns durchsuchen kann? Nee, mein Lieber. Ist alles draußen im Auto. Kann keiner ohne richterlichen Befehl durchschnüffeln. Lassen Sie man gut sein“, meinte er, als er sah, wie betreten ich dreinschaute, „dafür haben Sie ja mich. Übrigens soll ich von Misty schön grüßen, und Sie sollen zu Ignacio fahren und dort auf ihren Anruf
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