Geier (German Edition)
konzentriert. Was auch geklappt hat. Bis ich mich zur Ruhe setzte und hierher zog. Damals hat er mit der Fälscherei aufgehört und sich auf sein Hobby konzentriert. Diesen Job macht er mir zuliebe.“
„Aber die Liste mit den offensichtlich geklauten Pässen und Führerscheinen? Mit dazugehörigen Namen und Daten? Die scheint mir aktuell.“
„Ist vermutlich steinalt. Aber keine Bange – er macht dir mit den alten Daten neue, aktuelle Papiere. Bobby ist der beste. Der lässt seine Papiere weiterleben, sobald er sie bekommt; mit den Führerscheinen zahlt er Strafbescheide, die Pässe lässt er durch Flughafenscanner laufen, die Sozialversicherungspapiere werden durch schriftliche Anfragen bei der Behörde immer wieder aktenkundig. Da ist er einmalig, der Kleine.
Du bekommst eine Auswahl erstklassiger Dokumente, die jeder Routineüberprüfung standhalten. Da hat er seinen Stolz. Deswegen war es mir so wichtig, ihn an Land zu ziehen. Wir haben nie jemanden aufgrund von Bobbys Papieren verhaftet oder auch nur aufgespürt. Sein Zeug war schon immer erste Güte.“ Man hörte richtig den Stolz auf seinen Fang. „Übrigens macht er diesen Job für mich aus alter Freundschaft. Kostet dich keinen Roten.“
„Wo wäre ich ohne dich?“ Er nickte. Stimmt. Ich meinte die Frage ernst. Wo wäre ich ohne diesen selbstlosen ehemaligen Cop?
Gegen abend klingelte Ignacios Telefon. Er hob ab, horchte, und sagte, dass wir gleich kämen.
Bobby saß vor einem aufgeräumten, penetrant sauberen Tisch. Vor ihm lagen vier Stapel Papier. Er schob mir den ersten zu.
Ich konnte es nicht fassen. Ein abgegriffener Führerschein mit meinem Foto und dem dazugehörigen Vermerk „Brillenträger.“ Dazu eine alte, wegen eines seinerzeit ersetzungsbedürftigen Farbbandes kaum lesbare Geburtsurkunde auf billigem gelbem Behördenpapier. James Dutton, männlich, Sohn der Eva-Lynne Dutton, Bend, Oregon, 1977. Social Security Ausweis, drei Stromrechnungen und eine Mietquittung vom vergangenen Vierteljahr für eine Wohnung in Topeka, Kansas.
Die anderen drei Päckchen waren genauso gut. Ich war wirklich von den Socken. Also gab ich ihm vier Hunderter aus meinem Brustbeutel, die er etwas eingeschnappt ablehnte. “Ist ein Freundschaftsdienst für Ignacio. Das schulde ich ihm schon lange. Behalte dein Geld – du wirst es brauchen.“
„Kennst dich mit deinen Kunden aus“, meinte ich, denn er hatte recht.
Er nickte und schaute mich groß an. „Ist immer so. Kauft sich doch keiner ein neues Leben, wenn das alte in Ordnung ist.“
Wir tranken noch einen Kaffee in der verlassenen Küche. Aus reiner Freundlichkeit fragte ich Bobby, wo er wohnt. „Hier in der Gegend“, meinte er. „Nicht weit. Hab´ schon immer in der Nähe gewohnt. Mit kurzen Ausnahmen. Mir gefällt´s hier.“ Er sah auch sehr zufrieden aus.
„Ignacio sagt, du lebst nur noch deinem Hobby. Wie schön – das wünsche ich mir auch eines Tages. Was machst du denn?“
„Malen. Ich male Ölschinken. Alle möglichen Stile.“ Dabei schaute er Ignacio an. Der drehte den Kopf zu mir und schaute Hilfe suchend zu seinem obersten Chef hoch. Ich muss wohl ziemlich erschrocken geschaut haben, denn Bobby winkte ab. „Nicht, was du denkst. Keine Rubens, keine Rembrandts, kein Goya. Nur weniger bekannte Klassiker; aber Klimt ist meine ganz große Leidenschaft.“ Und im Handumdrehen zeichnete er die Umrisse der 1945 im Feuer verlorenen „Freunde.“
Die Katze lässt das mausen nicht. Ignacio schaute verschämt zu Boden. Zur Konkurrenz?
Ich konnte nicht aufhören, über die Großzügigkeit zu staunen, die Hilfsbereitschaft, die ich in den letzten Wochen erfahren hatte. Eine Selbstlosigkeit von Menschen, denen man außer Altruismus alles zutraute. Bei Gelegenheit, wenn sich meine Situation etwas beruhigte, musste ich mal über mein eigenes Verhalten nachdenken. Ehrlich nachdenken. Denn ich war beeindruckt von der Uneigennützigkeit. Vielleicht war ich selbst so. Wenn nicht, würde ich´s werden. Vielleicht.
Meine Papiere sahen wirklich gut aus. „Was sollte ich mit diesen schicken Sachen lieber nicht machen? Pass beantragen? Steuern zahlen? Sag.“
„Im Prinzip kannst du mit ihnen alles machen. Sie sind alle aktuell, sie waren alle echt, und sie haben genügend Daten hinterlassen, um jedem Datenvergleich standzuhalten. Selbst das Finanzamt merkt nichts; du kannst mit denen ruhig deine Steuererklärung einreichen, ohne dass einer fragt, warum du seit
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