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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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guter Vorbilder zum Trotz. Zweisamkeit ist nur vorübergehend. Einer geht immer, verabschiedet sich aus jeder Zweierbeziehung. Einer bleibt immer allein.
     
    Seit Wochen habe ich Angst. Besonders nachts überfällt sie mich, die lähmende Angst aus Kindheitstagen. Wenn das Licht ausgeht und die kleinen Geräusche beginnen. Wenn es knackt und sich Tritte ins Bewusstsein drängen. Ins immer wache Unterbewusstsein. Die Zeit, die Geister gebiert, ist die Zeit, vor der ich mich fürchte. Wie damals.
     
    Ricks Schritt klang hohl auf den Bohlen des Anlegestegs. Er setzte seine Füße mit Bestimmtheit auf, zielstrebig, selbst beim Spaziergang. Er legte eine Entschlossenheit an den Tag, die mir lebenslang fehlte. Er wusste, was er wollte. Ohne Schnörkel, geradeaus. Das genaue Gegenteil von mir.
    „Warum ist deine Frau abgehauen?“ Interessierte mich.
    Er schaute mich eher gelangweilt an. „Weil ich angeblich nie Zeit für sie hatte. Dabei dachte ich, dass alles in Ordnung ist. Ich meine, ich habe einen guten Job, bringe ein ordentliches Gehalt nach Hause, trinke nicht übermäßig, rauche schon lange nicht mehr, war ihr treu. Aber sie meinte, ich hätte nur für Computer und Telefonanlagen Augen, würde sie nur als bessere Haushaltshilfe sehen und sei überhaupt zu oft abwesend. Obwohl ich ja immer zu Hause war. Na, und eines Tages ist sie auf und davon. Hat unser gemeinsames Konto geleert, hat das Auto mitgenommen und war weg.”
    Wir waren stehengeblieben. Rick schaute übers Meer, kratzte sich am Kop, und fuhr fort: “Ich hab lange nicht gewusst, was ich machen soll. Aber dann habe ich Marisol auf eine Anzeige hin gefunden, und die kommt dreimal die Woche und macht mir die Bude sauber, wäscht, kocht, bügelt und hat ab und zu nichts dagegen, mit mir in die Falle zu steigen. Also habe ich´s jetzt bis auf die Steuerklasse besser als vorher. Hab meine Ruhe, esse gut und lebe in einer netten, aufgeräumten Umgebung.“
    Mann. So genau wollte ich´s ja gar nicht wissen. Aber schon toll, wie sich so was löst. Eigentlich immer zum Guten, wenn man von vornherein beherzigt, dass jede Zweisamkeit scheitern muss. Siehe oben.
    „Und du hattest doch ein ziemlich festes Ding mit der Patricia Newell. Was ist daraus geworden?“
    „Patty und ich haben uns gestritten. Die säuft inzwischen wie ein Loch, und sie ging mir schon lange auf den Wecker. Laut, unverschämt und mit ihrem vielen Geld immer der Meinung, ihr gehört die Welt und wir anderen müssen uns fügen. Also bin ich sie losgeworden.“ Von Julie sagte ich nichts. Er kannte sie ja – ich hatte ihn gebeten, die Nachricht meines Todes richtigzustellen.
    Je mehr ich über Julie nachdachte, umso schmerzlicher fehlte sie mir. Worüber ich mich wieder schämte. Denn wenn man´s genau nahm, war ich mit Ausnahme der fehlenden Heiratsurkunde keinen Deut besser als mein Alter. Hatte Misty und lüstete nach Julie. Schwein.
     
    Rick und ich tranken noch ein Bier und trennten uns.
    „Also Sonntag.“
    „Abgemacht.“ Er fuhr einen älteren weißen Chevrolet Pick-up von der Sorte, die gern von jungen Surfern zum Bretttransport genommen oder von Älteren als Allround-Haus-und-Hofmobil geschätzt wird. Der Chevy verschwand in der Biegung der Küstenstraße als ich schon Julie am Rohr hatte.
    „Nein, schau an – dich gibt´s auch noch! Finde ich Klasse, dass du dich meldest. Wo bist du?“
    „Ganz in der Nähe. Ich würde zwar gern vorbeikommen, aber das geht ja momentan wirklich nicht. Was machst du?“
    „Wenn du mir sagst, wo wir uns treffen, bin ich so schnell ich kann da.“
    „Also – Avila, Hauptstraße. Finde einen Parkplatz, bleibe im Auto. Ich komme.“
     
    Eine Viertelstunde später brauste ihr kleiner königsblauer Honda die Strandallee entlang und kurvte mit quietschenden Reifen in einen der wenigen freien Parkplätze vor dem hüfthohen Mäuerchen, das Bürgersteig von Strand trennt. Ich wartete noch kurz, um zu sehen, ob ihr jemand gefolgt war, aber auf der ruhigen Straße fiel nichts auf. Sie stieg aus und schaute um sich. Ich stand im Schatten von Antonio´s Pizzeria und freute mich auf sie.
    Als sie mich sah, begann sie zu laufen. Sie warf sich regelrecht in meine Arme. So sauber schmeckte sie, so rein. Meine Stimmung stieg. Nicht nur die, was sie mit Wohlgefallen bemerkte.
    „Ich auch. Seit Tagen bin ich nicht zu halten. Wenn ich an dich denke, muss ich Hand anlegen, sonst drehe ich durch.“ Sie griff meine Hand und marschierte zielstrebig zum Avila

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