Geisel der Leidenschaft
werdet Ihr Euch erholen.« Das Mädchen antwortete nicht, und Margot merkte, dass sie immer noch Norwegisch gesprochen hatte. »Wie fühlt Ihr Euch?«, fragte sie auf Französisch.
»Ich bin durstig.«
Lächelnd goss Margot Wasser aus einem kunstvoll geschnitzten norwegischen Horn in einen Becher, den Eleanor dankbar ergriff. Mühsam richtete sie sich auf. Zunächst trank sie etwas zu schnell, dann langsamer, von Margot ermahnt.
»Danke.« Eleanor gab ihr den Becher zurück und sank kraftlos ins Kissen. »Wo ist meine Zofe? Geht es ihr gut?«
»Ja, Lady, sie wurde auf de Longuevilles Schiff, die Red Rover, gebracht.«
»Ganz allein - an Bord eines Piratenschiffs!«, rief Lady Eleanor entsetzt. »O Gott, und ich bin auf einem schottischen Schiff!«
»Nur teilweise. Eigentlich ist es ein norwegisches Schiff.«
»Natürlich. Aber - Bridie ...«
»Keine Bange, sie ist nicht in Gefahr.«
»Wie könnt Ihr so sicher sein?«
Margot wollte die Engländerin beruhigen. Doch sie wusste nicht, was sie ihr versprechen sollte.
»Macht Euch keine Sorgen. Ihr wurdet nur von Eurer Zofe getrennt, weil man Euch misstraut.«
»Warum sollte man mir auch trauen?«
Unwillkürlich lachte Margot. Von dieser jungen Frau hatte sie schon viel gehört. Lady Eleanor hatte legendären Ruhm erworben, zahlreiche Soldaten um sich geschart, die an »Santa Lenoras« göttliche Sendung glaubten, und den Engländern bei Falkirk zum Sieg verholfen. Jetzt sah sie nicht wie eine Kriegerin aus, eher wie eine zerbrechliche Nixe mit zerzaustem rotgoldenem Haar, das ein fein gezeichnetes Gesicht umrahmte. Ihre großen graublauen Augen erinnerten an einen Gewittersturm über dem Meer. Trotz ihrer herausfordernden Frage wirkte sie verletzlich.
»Nun werde ich Euch allein lassen ...«, begann Margot und Eleanor umklammerte angstvoll ihre Hand.
»Bitte, wartet!«
»Ich kann Euch nichts versprechen.«
»Wer seid Ihr? Die Frau des Norwegers?«
»Nein, wir sind nicht verheiratet. Eric ist der Enkel eines Jarls.«
»Aber ...«
»Wir leben zusammen.«
»Oh - ich verstehe ...« Verlegen senkte Eleanor den Blick. »Gibt es auch eine Gemahlin?«
»Bis jetzt hat er sich geweigert zu heiraten.«
»Sicher liebt er Euch.«
Daran zweifelte Margot nicht. Leichte Röte stieg ihr in die Wangen, und sie staunte, weil die Lady so freimütig mit ihr sprach - und kein bisschen hochmütig. Offenbar versuchte sich die Engländerin mit ihr anzufreunden.
»Selbst wenn er heiraten sollte«, fuhr Eleanor fort, »eine Ehe ist nur ein Vertrag, und er würde Euch auch weiterhin lieben. Vielleicht muss er aus irgendwelchen Gründen eine hässliche alte Hexe zur Frau nehmen.«
»Und warum werdet Ihr den Comte de Lacville heiraten?«
Eleanor holte tief Atem und schwieg.
»Kennt Ihr ihn?«, fragte Margot. »Ist er - grausam?«
»Alain war ein lieber alter Freund meines Vaters. Und er ist nicht grausam, sondern sanftmütig und gut.«
»Dann werdet Ihr glücklich sein?«
»Glücklich?«, wiederholte Eleanor gedankenverloren. »Wenigstens ...«
»Was, Lady?«
»Wenigstens nicht unglücklich - oder einsam.«
Margot stand auf. Plötzlich gewann sie den Eindruck, sie - die Bürgerliche - wäre viel glücklicher als die Aristokratin.
»Bleibt bei mir!«, bat Eleanor.
»Tut mir Leid, jetzt muss ich gehen.«
»Sagt mir doch - ist Wallace an Bord dieses Schiffs? Fahren wir nach Frankreich? Was ... wird mit mir geschehen?«
»Das werden die Männer entscheiden, Lady Eleanor. Aber - Ihr dürft sie nicht für brutale Ungeheuer halten.«
Eleanor warf einen kurzen Blick zur Kabinentür. »Wozu sie fähig sind, habe ich gesehen.«
»Dann habt Ihr nicht viel gesehen. Es sei denn, Ihr konntet beobachten, wie sich Edward von England verhielt ...« Darauf gab die Gefangene keine Antwort und Margot fügte hinzu: »Später bringe ich Euch etwas zu essen. Bitte, habt keine Angst.«
»Da ich Santa Lenora bin, die Tapferkeit in Person, fürchte ich mich nicht.«
Margot wusste, dass die Lady log und sich selbst verspottete. Aber sie ließ es dabei bewenden.
»Bald komme ich wieder zu Euch«, versprach sie und eilte aus der Kabine.
Kurz nach dem Gewitter legte Williams Schiff längsseits der Wasp an. Wallace kam an Bord. Während die Männer im Bug saßen, tranken sie Ale aus norwegischen Hörnern.
Als junger Bursche war Brendan bei seinem Vetter Arryn in die Lehre gegangen. Durch ihn hatte er Wallace kennen gelernt. Niemals war er einem bewundernswerteren, klügeren Mann
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