Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
mal improvisieren mußte. Feierlich reichte Herr Schweitzer dem Bankräuber die Extraausgabe des Sachsehäuser Käsblättchens. Geiseldrama in Dribbdebach, lautete die balkendicke Überschrift. Johnny, der alte Traveller, hatte sich selbstredend unverzüglich über die erste Flasche Rotwein, einen runden und milden Portugieser, hergemacht. Auch Oma Hoffmann, Popic und Herr Schweitzer gönnten sich ein erbauliches Gläschen. Uzi widmete sich genüßlich dem kulinarischen Offenbarungseid in Form von zugegebenermaßen knusprig aussehenden Pommes mit einer Lawine aus Ketchup und Mayo. Herr Schweitzer schüttelte mißbilligend den Kopf während er ein besonders zartes Stück Lammbraten auf seiner Zunge zergehen ließ und dem seelenverwandten Oscar Wilde gedachte, der einstmals forderte, man möge ihm Luxus geben, auf das Notwendige könne er verzichten. Grundsätzlich bedauerte Herr Schweitzer, obwohl er ansonsten sehr tolerant war, alle Menschen, die gutem Essen nichts abgewinnen konnten. Für ihn war es nebst Liebe das Wichtigste auf Pacha Mama. Er dankte seinem Schöpfer für das Mahl.
Sein Teller war fast schon leer, als er zu Yoko und Kogyo sah, die noch immer ihre in Weißwein gedünsteten Pfifferlinge auf Gemüserisotto beschnupperten und jeweils einen Flunsch zogen. Dann kramte Yoko aus ihrer Handtasche, hellblaues Plastik, wie’s der Jugend halt so gefällt, zwei mal zwei Eßstäbchen heraus. Mit chirurgischer Akribie wurden die Pfifferlinge vom Reis getrennt, und Herr Schweitzer dachte, daß dies schon ein seltsames Volk sei. Er selbst hatte mal beim Fisch-Franke im Frankfurter Hauptbahnhof einem Asiaten zugesehen, der sich einen Teller mit zerkleinertem paniertem Fisch und Kartoffelsalat an den Mund gehalten und mit dem Messer die Portionen in Weltrekordzeit in den Rachen geschoben hatte. Auch stellte er sich die Frage, wie man mit solchen Stäbchen einem Rumpsteak, 280 Gramm, medium, mit Kräuterbutter und gerösteten Zwiebeln beikommen wollte. Oder hatten die am Ende so was in Japan gar nicht, ein saftiges 280-Gramm-Medium-Rumpsteak mit Kräuterbutter und gerösteten Zwiebeln? Kein Wunder, daß die schon seit mehr als zehn Jahren in einer ausgewachsenen Wirtschaftskrise steckten, überlegte Herr Schweitzer.
Und dann war das Fürst-Pückler-Eis dran, das schon seit alters her Volk und Edelmann an einen Tisch bringt, und Herr Schweitzer stand kurz vor der Versuchung, Uzi zu fragen, ob er ihr dazu ebenfalls Ketchup und Mayo reichen sollte, ließ es aber aus Gründen der Schicklichkeit sein, auch weil man Leute mit abnormem Verhalten nicht immerfort triezen sollte. Immerhin schien auch den asiatischen Paradiesvögeln das Eis zu munden, sie benutzten sogar Löffel, aber man aß ja auch Suppen in Japan. Und der in Sachen Alkohol sehr bewanderte Johnny entkorkte bereits die zweite Flasche.
Nach dem Mahl wurden die benutzten Teller und Bestecke wieder in den Karton geworfen. Von Oma Hoffmann flogen ein paar schon ausgefüllte und dann herausgerissene Kreuzworträtselseiten hinterher.
„Was it a good meal?“ wandte sich Herr Schweitzer, ganz aufmerksamer Gastgeber, an die Japaner.
Kogyo drehte sich zu seiner Freundin und kommunizierte mit selbiger per Blickkontakt. Dann nickte Kogyo und Yoko wagte ein kaum wahrnehmbares Lächeln, bevor sie Herrn Schweitzer ansprach, der in ihren Augen hier so etwas wie den Spiritus rector darstellte: „Sorry. Tomorrow is Kogyo’s birthday. Sorry. Is it possible to get some Sushi for lunch? This would be very nice of you, but it’s only a question. Sorry.“
„I’m not the big boss here“, erwiderte Simon Schweitzer, dem sich bei dem Gedanken an Sushi der Magen umdrehte, „you have to ask your question to Mr. Trinklein. He’s the big boss here, because he have also the pistol.“
„Mr. Trinklein?“
„Yes, Mr. Trinklein.“
Oma Hoffmann mischte sich ein: „Also, Herr Trinklein, ich würde vorschlagen, Sie lassen die Japaner einfach frei. Ein schöneres Geburtstagsgeschenk als die Freiheit gibt’s doch gar nicht. Außerdem würde es Ihre Verhandlungsposition stärken. Es blieben ja noch genügend Geiseln übrig. Mit den Japanern ist das doch alles ganz schön schwierig.“
„Stimmt schon“, gab der Bankräuber mürrisch zur Antwort. „Ich laß mir das mal durch den Kopf gehen.“ Er widmete sich wieder dem Sachsehäuser Käsblättche.
„He’s thinking about it“, übersetzte Herr Schweitzer nicht ganz korrekt, denn er wollte sie nicht enttäuschen, wenn
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