Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
später.“
„Bis später, Chef.“
Uff, das wäre geschafft. Sein Mund fühlte sich vom ganzen Gebabbel und restalkoholischen Ausdünstungen an als wäre er von einer alten Wollsocke gänzlich vollgestopft. Melibocus schlürfte am Kaffee, stand wackelig auf und bewegte sich Richtung abgenutztes Sofa, das just in diesem Augenblick eine frappierende Ähnlichkeit mit einem flauschigen Himmelbett aufwies. Nur ein halbes Stündchen, sagte er sich.
Die ersten geretteten Geiseln unter ihrer Ägide. Annie Landvogt frohlockte innerlich. Wieder ein Meilenstein auf ihrem Karriereweg. Von den Japanern – der männliche Part tränenüberströmt, die Frau gefaßt, abgeklärt und gänzlich auf ihren Verstand vertrauend; so wie es die Evolution eben eingerichtet hatte – ließ sie sich die Existenz Ludger Trinkleins mittels Foto als Bankräuber bestätigen. Bei der folgenden Befragung ging es lediglich noch um die Bewaffnung des Übeltäters, die Stimmung unter den Geiseln und die japanische Einschätzung des Geisteszustandes Trinkleins. Das dauerte keine zehn Minuten.
Höflich erkundigte sich die Oberkommissarin nach den weiteren Reiseplänen Yokos und Kogyos, die seit gestern im Haus der Jugend am Deutschherrnufer ein Zimmer gebucht hatten und heute abend in Heidelberg übernachten wollten. Unorthodox, so wie das Volk es sich von seinen Staatsdienern meist vergeblich erhofft, sorgte Annie Landvogt dafür, daß das Gepäck der beiden herbeigeschafft und die Rechnung beglichen wurde. Außerdem beauftragte sie Marlies damit, auf hessische Landeskosten ein Taxi nach Heidelberg bereitstellen zu lassen, auf daß die Kunde der immer und in allen Lebenslagen hilfsbereiten deutschen Polizei bis ganz nach Ostasien dringe.
Die Japaner jedoch erbaten sich die Möglichkeit, die Taxifahrt später in Anspruch nehmen zu dürfen. Man wolle doch noch das sich abzeichnende Ende der Geiselnahme abwarten. Man sei sehr um das Wohlergehen der neugewonnenen Freunde besorgt.
Das hätte den Herrn Schweitzer nun doch gar arg gewundert. Asiaten, die sich zu Gruppen unasiatischer Provenienz hingezogen fühlten. Das war neu.
Und dann wurde vom Ehepaar Blau ein Frühstück aufgefahren, das dem Frankfurter Hof alle Ehre gemacht hätte. Nicht genug damit, es waren sogar ein Dutzend Knackwürste dabei, die Kogyos Tränenflut stante pede zum Stillstand brachte. Selbst eine Sushi-Mahlzeit wäre angesichts der Knackwürste verblaßt.
Aber es wurde auch gearbeitet. Im Zuge einer emotionalen Distanzverringerung zwischen BKA und Landespolizei band die Oberkommissarin geschickt den Sachsenhäuser Revierleiter Hansen und seine Crew in den Fall mit ein. Hansen war fortan für sämtliche in Frage kommenden Fluchtwege südlich des Mains verantwortlich, was bedeutete, daß er ein halbes Dutzend mit der nötigen Gerätschaft ausgerüstete, PS-starke, zivile Einsatzfahrzeuge strategisch dergestalt positionieren mußte, daß eine unbemerkte Flucht des präparierten Wagens, der dem Bankräuber untergeschoben werden sollte, nahezu unmöglich war. Selbst ein Peilsender wäre ja nutzlos, würde Trinklein unterwegs unbeobachtet das Fluchtfahrzeug wechseln.
Diese auf Eigenverantwortlichkeit basierende Maßnahme war Ausdruck einer neuerdings an der Polizeischule gelehrten Methode zur Besserung des Arbeitsklimas, was zwangsläufig motivierend auf die Mitarbeiter wirken sollte. Doch Hansen wußte nicht, daß diese Annie Landvogt quasi eine der Prototypen dieser neuen Führungselite darstellen sollte, und so war er doch sehr mißtrauisch ihr gegenüber. Er witterte eine Falle, wo es keine gab.
Marlies und Frederik, der Marlies fesch fand, hatten da schon weniger Vorbehalte. Mit neuem Schwung gaben sie sich an die ihnen gestellte Aufgabe. Ganz sicher waren die Mörfelder, Offenbacher und Darmstädter Landstraße als Fluchtwege einzukalkulieren. Auch könnte es nicht schaden, jeweils ein weiteres Fahrzeug an Uni-Klinik und Gerbermühle bereitzustellen. Das sechste und letzte schließlich sollte die Kennedyallee absichern. Ja, so könnte es mit etwas Fortüne klappen, überlegte der Revierleiter. Und wenn dieser Gangster eine Brücke über den Main nahm, so war sein Kollege vom Polizeirevier in der Albusgasse zuständig, den er vom Sehen kannte, und der ebenfalls über einer Straßenkarte gebeugt die strategisch besten Punkte markierte. Genüßlich trank Hansen seinen Kaffee. Im Gegensatz zu Melibocus hatte er die gestrige Eskapade im Frühzecher nach Anlaufschwierigkeiten
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