Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
an.“
„Gebongt.“
„Ciao Bella.“
„Ciao Bello.“
Annie Landvogt legte auf. Wäre sie alleine gewesen, wäre sie jetzt ausgeflippt. So, genau so muß man mit Verbrechern reden. Hundert Prozent auf die Sprache des Delinquenten eingehen, ein wenig Honig um den Mund schmieren und schon läuft die Sache. Sie war sich sicherer denn je, daß es keine Toten geben würde, daß der Bankräuber heute abend schon im Knast sitzen würde. Und sie selbst morgen erste Seite auf der Bild. Geil.
„Überprüft doch bitte noch mal den Peilsender vom Fluchtfahrzeug. Nicht, daß da noch was schiefläuft.“
In der Teutonischen Staatsbank versuchte Herr Schweitzer zu begreifen, was er gerade mitanhören mußte, und wußte doch, daß er das sein Lebtag nicht schaffen würde. Offensichtlich war es nicht weit her mit dem Geisteszustand dieser Oberkommissarin. Die mußte inzwischen doch rausgekriegt haben, mit wem sie es hier zu tun hatte, daß dieser Trinklein ein gefährlicher Pädophiler war, der vor nichts zurückschreckte. Und was macht die blöde Kuh am Telefon? Redet mit dem Schwerverbrecher als säßen sie gemütlich am Kamin. Bei Keksen und Tee. Unglaublich. Die wird von ihm zu hören bekommen, wenn er erst mal wieder draußen ist. Ganz sicher. Die wird ihn noch kennenlernen, den Herrn Schweitzer.
Doch genauso schnell, wie er sich aufgeregt hatte, regte er sich auch wieder ab, da das Dilettieren der Einsatzleitung umgehend zur Randnotiz wurde, als Oma Hofmann unseren japanischen Kunststudenten und Europareisenden ihre nun amtliche, kurz bevorstehende Freilassung nahebrachte.
Herr Trinklein bestätigte dies: „Yes, please stand up.“
Kogyo konnte sein Glück kaum fassen: „Seriously, we can go?“
Dann fing er an, Yoko Küßchen auf Küßchen auf die Backen zu drücken, und Herr Schweitzer fragte sich nicht ganz zu unrecht, ob dieser Kogyo vielleicht von der japanischen Frauenbewegung gestrickt war. Normal war der jedenfalls nicht. Andererseits hatte er noch nie von einer japanischen oder gar panasiatischen Frauenbewegung gehört. Er war davon ausgegangen, daß der Japaner an sich traditionellen Werten frönte und davon auch keinen Zollbreit abrückte. Aber vielleicht war dem alten Haudegen Schweitzer da ja was entgangen. Schließlich konnte der am Weltgeschehen interessierte Sachsenhäuser ja nicht sämtliche internationalen Veränderungen und Modeströmungen mitbekommen, so sehr er sich auch bemühte. Wäre Yoko nicht gewesen, hätte Herr Schweitzer einen Handkäs darauf verwettet, dieser Kogyo sei schwul. Vielleicht war er das ja auch, es soll ja Männer geben, die merken das nicht mal.
Es hatte schon etwas Bewegendes, als Yoko und Kogyo sich von jedem persönlich verabschiedeten. Sogar dem Bankräuber drückten sie die Hand, der dafür extra die Beretta 92 aus der Hand legte.
Ludger hatte die beiden schon ein paar Meter begleitet, als Uzi der Bildband auffiel. „Halt.“
„Was ist denn jetzt schon wieder?“ wollte der Bankräuber wissen.
Herr Schweitzer hatte die Situation sofort erfaßt und kam der Punkerin zur Hilfe: „Das Geburtstagsgeschenk, the birthday present.“
„Oh. Thank you very much.“ Wiederum folgten Dankesbekundungen und Händeschütteln. „Your mother, a very great artist.“
„Yes, my mother. I’m proud, that the japanese people loves her.“ Herrn Schweitzer standen Tränen in den Augen.
„Bye-bye.“
„Bye.“
Traurig sah man den Freigelassenen hinterher. Die letzten zwanzig Stunden hatten eine verschworene Gemeinschaft entstehen lassen, aus deren Mitte das Schicksal nun zwei liebgewonnene Menschen herausriß.
Als die Tür sich wieder geschlossen hatte, sah man sich unbehaglich an. Selbst ein gerissener Psychologe wie Herr Schweitzer kam nicht umhin, sich einzugestehen, daß er am Ende seiner Kräfte war, einfach keinen Bock mehr hatte. Es war eine Mischung aus Müdigkeit und Lagerkoller.
In diese niederdrückende Stimmung hinein fragte Dragoslav Popic: „Entschuldigung, kann ich vielleicht noch einmal meinen Chef anrufen? Mit dieser Geiselfreilassung könnten Sie in der Öffentlichkeit sicherlich wieder ein paar Pluspunkte sammeln.“
Herr Schweitzer war erstaunt, daß Popic diesen Pädophilen um etwas bat, nach allem, was geschehen war. Ohne daß es ausdrücklich hätte besprochen werden müssen, ließ man den Bankräuber die ihm gebührende Verachtung spüren. Eingedenk der Verhältnisse konnte das natürlich nicht auf eine provokante Art geschehen. Doch hier ein
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