Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)
es ihr objektiver Wert nicht tut. Die realistische Position muss darin bestehen, dass diese Erfahrungen, zu deren Wesen Begehren und Abneigung gehört, auch an sich einen positiven und negativen Wert haben; wenn wir nachdenken, wird uns dies einsichtig, obwohl es keinen notwendigen Teil der evolutionstheoretischen Erklärung bildet, weshalb Werte mit einem bestimmtem Körpergeschehen wie Sex, Nahrungsaufnahme oder Verletzung verbunden sind. Werte dienen der Anpassung, aber sie sind etwas mehr als das. Obwohl diese Erfahrungen nicht die einzigen Dinge sind, die objektiv Wert besitzen, zählen sie zu den auffälligsten Phänomenen, mit denen Werte in das Universum kommen, und zu den klarsten Beispielen, durch die wir mit etwas von wirklichem Wert bekannt werden.
In der realistischen Interpretation haben Schmerz und Lust eine doppelte Natur. Kraft der Anziehung und Abstoßung, die für sie wesentlich ist, spielen sie eine lebenswichtige Rolle für Überleben und Fitness, und ihreVerknüpfung mit speziellen biologischen Funktionen und Funktionsstörungen lässt sich durch die natürliche Auslese erklären. Für Wesen, die wie wir praktisch denken können, sind sie allerdings auch Gegenstand des reflektierenden Bewusstseins. Wir beginnen mit dem Urteil, dass Lust und Schmerz an sich gut und schlecht sind, gehen zusammen mit anderen Werten über zu einer systematischeren und stärker ausgearbeiteten Erkenntnis von Handlungsgründen und von Prinzipien, welche die Verbindung und Interaktion von Gründen regeln, und kommen letzten Endes zu Moralprinzipien.
Wenn den Fähigkeiten, die diese Urteile hervorbringen, auch eine darwinistische Erklärung gegeben werden könnte, dann würde die realistische Interpretation widerlegt sein, denn wir hätten dann keinen Grund, sie als Entdeckungen dessen zu betrachten, was unabhängig von unseren Urteilen wahr ist. Das objektiv Gute an Lust und das objektiv Schlechte am Schmerz sowie die objektive Wahrheit oder Falschheit all unserer komplexeren Werturteile wäre für das Verständnis dieser Fähigkeiten oder für das, was wir tun, wenn wir sie in Anspruch nehmen, vollkommen irrelevant. Nach der realistischen Auffassung kann zwar die Verknüpfung von Lust und Schmerz mit Sex und Verletzung durch natürliche Auslese erklärt werden, ihr objektiver Wert, unsere Fähigkeit, diesen zu erkennen, und alles, was daraus folgt, lässt sich dadurch aber nicht erklären.
Street kommt zu dem Schluss, dass der Realismus nicht richtig sein kann; ich komme zu dem Schluss, dass am Darwinismus und an der maßgeblichen biologischen Konzeption unserer selbst etwas fehlt. Streets negative Schlussfolgerung wird mit einer positiven Alternative, einer Form von Konstruktivismus verbunden. [8] Leider lässt meine negative Schlussfolgerung die positive Alternative ziemlich in der Schwebe, und bis es möglich ist, mehr darüber zu sagen, wird ein Vergleich zwischen den konkurrierenden Auffassungen, wie auf die geteilte hypothetische Prämisse zu antworten ist, schwierig sein.
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Wie bei der Einordnung von Bewusstsein und Kognition in die Naturordnung hat das Problem des Werts und der Naturordnung einen konstitutiven und einen geschichtlichen Aspekt. Die konstitutive Frage betrifft unsere Natur: Was für Wesen sind wir, wenn der Realismus richtig ist und wir in der Tat solche Werte und praktische Gründe erkennen und handelnd berücksichtigen, die nicht bloß Produkte unserer eigenen Reaktionen sind? Die geschichtliche Frage betrifft unsere Ursprünge: Wie müssen das Universum und der Evolutionsprozess beschaffen sein, um solche Wesen hervorzubringen? Diese beiden Fragen verlangen offenbar eine Alternative zum materialistischen Naturalismus und zu dessen darwinistischer Anwendung in der Biologie, aber wie könnte eine solche Alternative aussehen?
Die hervorstechendste konstitutive Folge des Realismus wäre die, dass Menschen nicht nur in der Lage sind, Werte zu entdecken, sondern von ihnen motiviert zu werden. Im Fall der elementaren Erfahrungswerte wie demGuten der Lust und dem Schlechten des Schmerzes ist der Erfahrung selbst eine instinktive Motivation eingebaut: Der Wunsch, sie möge andauern, gehört zur Lust, und der Wunsch, er möge aufhören, gehört zum Schmerz. Wenn wir aber an Lust oder Schmerz denken, die gerade nicht gegenwärtig sind – entweder unsere eigene Erfahrung zu anderer Zeit oder die Erfahrung anderer –, ist das nicht der Fall. Wir können jedoch von der Erkenntnis motiviert sein,
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