Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)
Konzeption der Letzteren, zum Beispiel der visuellen Wahrnehmung, ist für die darwinistische Schilderung wesentlich: Das Sehvermögen trägt zur reproduktiven Fitness bei, weil es uns in die Lage versetzt zu sehen, was in der Außenwelt ist, und das ist eine für alle Arten erfolgreichen Funktionierens notwendige Voraussetzung. Im Gegensatz dazu ist das wirklich Schlechte am Schmerz und die Befähigung, dieses Schlechte zu erkennen, in einer darwinistischen Erklärung für unsere Abneigung von Schmerz völlig überflüssig. Die Abneigung gegen den Schmerz verbessert die Fitness allein aufgrund der Tatsache, dass sie uns veranlasst, die mit Schmerz verbundene Verletzung zu vermeiden, nicht aufgrund der Tatsache,dass der Schmerz wirklich schlecht ist. Soweit es die natürliche Auslese angeht, könnte Schmerz an sich sehr wohl gut sein und Lust an sich schlecht sein, oder (eher wahrscheinlich) beide könnten an sich wertfrei sein – obgleich wir dafür normalerweise blind sind.
Anders als ein Subjektivist kann ein Realist diese Möglichkeiten nicht als bedeutungslos abtun, sondern muss vielmehr glauben, dass sie falsch sind – genauso wie ein Realist in Bezug auf die physikalische Welt glaubt, dass Descartes’ Hypothese vom boshaften Genius *
bezogen auf die visuelle Wahrnehmung nicht bedeutungslos, sondern falsch ist. Eine darwinistische Darstellung der visuellen Wahrnehmung beinhaltet, dass sie uns Informationen über die Außenwelt verschafft und dass die Hypothese vom boshaften Genius falsch ist. Demgegenüber hat eine darwinistische Darstellung des Ursprungs unserer basalen Wünsche und Abneigungen keinerlei Implikationen dahingehend, ob sie generell verlässliche Wahrnehmungen eines urteilsunabhängigen Werts sind und ob es eine solche Sache tatsächlich gibt.
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Ich stimme also Street darin zu, dass die Hypothese des Werterealismus aus einer darwinistischen Perspektive überflüssig ist – ein Rad, das sich dreht, ohne irgendwo befestigt zu sein. Aus einer darwinistischen Perspektivesind unsere Eindrücke von Werten völlig grundlos, wenn sie realistisch gedeutet werden. Und wenn das auf unsere elementarsten Reaktionen zutrifft, dann gilt es ebenfalls für die gesamte ausgefeilte Struktur der Werte und Moral, die mit Hilfe praktischer Überlegung und kultureller Entwicklung auf ihnen errichtet ist – gerade so wie der wissenschaftliche Realismus untergraben werden würde, wenn wir eine realistische Interpretation der perzeptiven Erfahrungen, auf denen die Naturwissenschaft beruht, aufgeben würden. Selbst ein System, das auf der Bewahrung der Stimmigkeit oder Folgerichtigkeit unter den Reaktionen aufbaut, braucht den Gedanken einer geistunabhängigen Wahrheit in Bezug auf den Wert nicht (im Gegensatz zur Logik), wenn die Reaktionen, die seinen ursprünglichen Inhalt abgeben, nicht über sich selbst hinausweisen.
Dennoch bin ich weiter überzeugt, dass Schmerz wirklich schlecht ist und nicht bloß etwas, was wir hassen, und dass Lust wirklich gut ist und nicht bloß etwas, was wir mögen. So erscheinen sie mir nun einmal, wie sehr ich mich auch bemühe, mir das Gegenteil vorzustellen, und ich vermute, dasselbe gilt für die meisten Menschen. Das bedeutet nicht, dass unsere Reaktionen aus dem Bauch heraus auch nur einen Deut unfehlbarer sind als unsere präreflexiven visuellen Wahrnehmungen. Sie sind lediglich die Ausgangspunkte für die Untersuchung eines Bereichs, der vielleicht ausführlicheres praktisches und moralisches Denken verlangt, um ihn zu verstehen. Nach der darwinistischen Darstellung muss dies als eine Illusion angesehen werden – vielleicht eine Vorspiegelung von Objektivität, die wegen ihres Beitrags zur reproduktiven Fitness selbst ein Produkt der natürlichen Auslese ist. Die Gabe,beispielsweise vollkommen kontingenten, reaktionsabhängigen Normen der Sprache und der Sitte eine illusorische Objektivität zuzuschreiben, scheint in der Tat für Menschen typisch und recht nützlich zu sein. In meinem Fall reichen die wissenschaftlichen Zeugnisse des Darwinismus und diese anderen Beispiele jedoch nicht aus, um mir die unmittelbare Überzeugung auszutreiben, dass Objektivität im Hinblick auf die grundlegenden Werturteile keine Illusion ist.
Aber was ist die realistische Alternative? Sie zu beschreiben ist knifflig, da es offenkundig so ist, dass Lust und Schmerz als biologisch fest verankerte Reaktionen eine lebenswichtige Rolle für die Fitness bewusster Lebewesen spielen, selbst wenn
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