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Geister-Canyon

Geister-Canyon

Titel: Geister-Canyon
Autoren: Ben Nevis
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das Geld gegen die Geige getauscht hatte, wollte er den Täter fangen. Wenn O’Sullivan erst einmal sein Instrument zurück hatte, würde er nichts dagegen haben. Und man jagte einen Justus Jonas nicht auf Berge und durch Sandwüsten, ohne dafür bestraft zu werden!
    Am Stand der Sterne erkannte Justus, dass er eine Kurve gelaufen war. Man konnte ihn nun vom Ausgangsort aus wahrscheinlich nicht mehr sehen, da der aufgeworfene Rand des Flussbetts die Sicht versperrte. Doch Justus ließ die Taschenlampe weiter ausgeschaltet. Inzwischen hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Und vielleicht, so hoffte er, hatte ihn der Entführer noch nicht entdeckt, und die Überraschung lag auf seiner Seite.
    Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Justus den dunkel dahingeworfenen Höhenzug ausmachen konnte, den Peter beschrieben hatte. Es war vollkommen still, bis auf den Wind, der unaufhörlich blies. Justus verlangsamte das Tempo und schärfte seine Sinne. Ein schrecklicher Gedanke befiel ihn: Was, wenn der Entführer ihm einfach das Geld abnehmen würde, ohne die Geige einzutauschen? Justus war allein, im Zweifel hatte er keine Chance. Würde O’Sullivan ihm dann glauben? Oder würde er denken – ganz so wie Peter dahinfantasiert hatte – sie hätten das Geld insgeheim zur Seite geschafft?
    Dann hieße es um so mehr, den Täter dingfest zu machen, um jeden Verdacht von sich zu weisen. Doch darüber konnte er sich Gedanken machen, wenn es so weit war. Noch immer hatte Justus den Eingang des Canyons nicht entdeckt. Er konnte sich denken, wie der Durchbruch entstanden sein musste: Das Wasser hatte ihn durch das Hindernis gegraben, das sich ihm in den Weg gestellt hatte. Wasser, Kälte und Hitze: das waren die Baumeister der landschaftlichen Wunder des Westens.
    Jetzt war Justus ganz nahe an die Felsen herangekommen. Und da sah er ihn: einen tiefschwarzen Riss im Dunkel des Hangs, den Eingang zum Canyon. Justus kontrollierte die Uhrzeit. Noch zwanzig Minuten bis Mitternacht. Er hatte länger gebraucht als erwartet. Vorsichtig schritt Justus auf den schwarzen Spalt zu. Was nutzte das Zögern, er musste hinein. Bereits nach wenigen Metern umgab ihn völlige Finsternis. Der Durchlass zum Himmel war viel zu schmal, um etwas vom Licht der Sterne und des Mondes einfallen zu lassen. Als sich Justus zum zweiten Mal den Kopf an einem Felsvorsprung stieß, beschloss er, seine Taschenlampe einzuschalten. Auch wenn er dem Entführer damit das Zeichen gab: Der Bote war eingetroffen! Während Justus tiefer in den Canyon schritt, glitt das Licht der Lampe über die faszinierenden Rundungen des Gesteins. Doch jetzt hatte er keinen Sinn dafür.
    Nach einer Weile blieb er stehen. Er hatte etwas gehört. Einen feinen Klang, der sich unter die Geräusche des Windes gemischt hatte. Oder doch nicht? Justus hörte genauer hin. Der Laut wurde intensiver, schwoll an. Unmöglich zu sagen, aus welcher Richtung er kam, er schien von allen Seiten zugleich zu schwingen. Es war der Ton – einer Geige! Das konnte nur eins bedeuten: Der Täter wusste, dass Justus gekommen war. Die Show begann!

Gruselparty
    Gespannt war Justus stehen geblieben. Die Rucksäcke hatte er längst von den Schultern genommen. Mit den Händen hielt er sie fest umklammert. Die Geigenmusik irritierte ihn. Was sollte das? Was hatte der Entführer mit ihm vor?
    Der Ton schwoll an, wurde wieder leiser, und plötzlich mischten sich Stimmen darunter. Kichernde, grässliche Stimmen, die lachten, die ihn auslachten, die von überall her zu kommen schienen. Justus leuchtete nach links, nach rechts, nach oben, doch er entdeckte niemanden, er war allein. Ein Licht blitzte auf, ein gutes Stück weit im Canyon entfernt, Justus sah nur den kurzen Widerschein, den die rotbraunen Felswände sanft reflektierten. Sein erster Impuls war wegzurennen, doch er riss sich zusammen und schritt langsam auf die Felsen zu, um zu sehen, was sich hinter ihnen verbarg. Mit jedem seiner Schritte schwoll das Gelächter an, als wollte es ihn warnen weiterzugehen, bis plötzlich direkt hinter ihm etwas aufsurrte. Justus drehte sich abrupt herum und starrte in eine grässliche Fratze, die ihn von schräg oben angrinste. Die indianischen Geister, die Peter erwähnt hatte, kamen ihm in den Sinn. Der Geister-Canyon. Für eine Sekunde war Justus versucht, daran zu glauben. Doch dann verdrängte er den
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