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Geister-Dämmerung

Geister-Dämmerung

Titel: Geister-Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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spendete eine Stehlampe ein wenig Licht. Ihr Kreis fiel auf ein altes Sofa und zwei Sessel. Aus der entgegengesetzten Ecke, die im Dunkeln lag, erklang eine krächzende Stimme. »Leg noch etwas Holz nach, Jenna. Unser Gast soll nicht frieren.«
    »Aber sicher, Irvin!« flötete die Frau. Aus einem Korb nahm sie einige Scheite und legte sie auf die letzten glühenden Teile. Gierig zuckten die Flammen auf und ergriffen von dem Holz Besitz. Es wurde auch heller, und ein Teil des Feuerscheins fiel dorthin, wo ich die Stimme des alten Irvin Quade gehört hatte.
    Jetzt sah ich ihn auch. Obwohl er im Sessel hockte, konnte er sich nicht aufrecht hinsetzen. Das lag an seinem verwachsenen Rücken, der Mann hatte einen regelrechten Buckel. Sein Kopf war zwischen die Schultern gezogen worden, und um sein hageres Gesicht flossen dünne graue Haare. Er trug eine Hausjoppe, eine alte Hose und hatte zwischen seine Beine einen Stock gestellt, auf dessen Knauf er sich stützte. Seine blassen, krummen Finger sahen aus wie die Krallen eines Geiers.
    »Hallo Sinclair!« krächzte er mir entgegen. »Ich bin Irvin Quade. Meine Frau haben Sie ja inzwischen kennen gelernt.«
    »Allerdings.«
    »Waren Sie überrascht?«
    »Einigermaßen.«
    Er kicherte. »Ich habe sie schon vor einigen Jahren ins Haus geholt. Sie hat gemeint, sie würde mich lieben, diese Närrin.«
    »Das stimmt auch, Irvin. Nur eben auf meine Art und Weise.«
    »Ja, ja, ich weiß schon. Der Zaster, das Geld, das du bei mir vermutest. Aber täusche dich nur nicht. Du weißt, dass ich in der Vergangenheit pleite gemacht habe.«
    »Trotzdem bin ich bei dir, Irvin«, sagte sie mit weinerlicher Stimme.
    O Gott, in was war ich da hineingeraten? Ich wechselte schnell das Thema und sagte: »Sie wissen sicherlich noch, weshalb ich zu Ihnen gekommen bin, Mr. Quade.«
    »Ja, es geht um meinen Bruder.«
    »Genau.«
    »Aber setzen Sie sich doch.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf einen Sessel ihm gegenüber. Der Finger sah aus wie der Knochen, den man einem Hund vorwirft. Der Sessel, der mir angeboten wurde, hing mit seiner Sitzfläche fast auf dem Boden.
    »Und du bringst uns was zu trinken, Jenna!« krächzte der Hausherr. Als die Blondine an ihm vorbeilief, schlug er kurz mit dem Stock auf ihr pralles Hinterteil, hörte ihr schrilles Lachen und lachte selbst darüber. Die Frau verschwand aus meinem Blickfeld.
    »Gefällt sie Ihnen?« fragte er mich.
    »Geschmacksache.«
    Er grinste. »Eigentlich ist sie ein liebes Mädchen. Sie tut, was ich sage. Darauf kommt es mir an.«
    Ich nickte. »Wenn es Ihnen gefällt, bitte.«
    »Ja, ja.« Er drehte den Kopf und hob seinen Stock an. »Schauen Sie sich mal die ausgestopften Tiere an. Die habe ich alle geschossen. Ich war ein toller Jäger in meiner Jugend. Mir ging es gut. Ich hatte eine Firma. Sie verarbeitete Pelze. Deshalb floss das Geld auch reichlich. Damals habe ich den Spleen meines Bruders finanziert.« Er lehnte sich zurück. »Sagen Sie, wie lange ist das jetzt her?«
    »Genau fünfzig Jahre.«
    »Ah ja, eine verdammt lange Zeit. Damals stand ich noch voll im Saft.«
    Er kicherte, und ich vernahm das Klirren der Gläser. Auf einem Tablett umrahmten sie eine Flasche Whisky. Es waren drei Gläser, ein Beweis, dass auch Jenna sich einen zur Brust nehmen wollte. Sie schenkte großzügig ein. Sich selbst am meisten. Zuerst bekam Irvin sein Glas, das er mit beiden Händen umklammerte, zum Mund führte und langsam trank. Er schmatzte dabei, so dass mir der Appetit verging und ich nur nippte. Jenna hatte sich auf ein Sitzkissen in der Nähe gesetzt, das Kaminfeuer im Rücken. Sie starrte mich an, und ihre Blicke versprachen mir heiße Stunden.
    »Es wird immer dichter draußen«, erklärte sie. »Ich glaube kaum, dass Sie dann noch fahren können. Wenn Sie wollen, können Sie in unserem Zimmer schlafen.«
    »Ich werde es mir überlegen.«
    »Tun Sie das. Bisher hat noch jeder Gast bei uns gut geschlafen.«
    Quade begann zu lachen. »Besonders dann, wenn du ihn zugedeckt hast«, erklärte er.
    »Sei doch nicht albern.«
    »Ich sehe mehr, als du weißt.«
    »Meinetwegen.«
    Bevor das Ganze in einen Streit ausarten konnte, kam ich zum eigentlichen Thema meines Besuchs. »Wie gesagt, Mr. Irvin, es geht um Ihren Bruder Harold.«
    »Er ist mein Zwillingsbruder.«
    »Auch das. Nach fünfzig Jahren ist es gelungen, eine Spur von ihm zu finden.« Quade lachte. »Meinen Sie die bleichen Knochen?«
    »Nein, er lag im ewigen Eis in einer Schlucht.

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