Geister-Dämmerung
schmalen, ebenfalls bläulich schimmernden Lippen, hatte ich das Gefühl, als läge ein kaltes Lächeln um seine Mundwinkel.
Ich kam mir selbst vor wie eine Steinfigur, denn ich wagte nicht, mich zu bewegen. Meine rechte Hand hatte ich um das Kreuz geklammert. Solange ich noch das geweihte Metall zwischen meinen Fingern spürte, ging es mir gut, da konnte selbst Luzifer nichts machen, denn meine Waffe gehörte zu den wenigen Dingen, vor denen er sich fürchtete. Irgendwann drehte er sich um, Es geschah locker, und noch einmal streifte mich dieser Odem des Bösen, der kein Windzug war, meinen Körper aber doch erschauern ließ.
Er verschwand. Wie ein Schatten tauchte er weg, eine Markierung des Bösen, der Meilenstein auf dem Weg in die ewige Verdammnis. Und ich wusste nun Bescheid, dass er bereits vor Hunderten von Millionen Jahren auf dem Erdball regiert hatte.
Bis in meine Zeit war seine Position geblieben, und sie würde auch noch in der Zukunft bleiben, bis zum Ende aller Tage.
Aber die Welt bewegte sich weiter. Wieder verschoben sich Grenzen und Proportionen. Was das Zeit-Raum-Spektrum dort gespeichert hatte, wurde mir vorgeführt. Einmal sah ich eine gewaltige Flutwelle, die sich aus dem Meer turmhoch erhob, himmelan stieg und mit unfassbarer Gewalt auf mich, den Betrachter, zuraste.
Ich hatte das Gefühl, als wollte das Wasser alles zersprengen, was in seine Nähe geriet, aber aus ihm hervor stieg die gewaltige Schleimmasse mit den zahlreichen Armen: Krol, der Krake!
Einer der Großen Alten. Er war der erste dieser finsteren Götter, ich erlebte seine Geburt, und ich sah auf dieser »Leinwand des Lebens« noch etwas anderes.
Hehre Gestalten, die mit ihrem Aussehen an Erzengel erinnerten. Sie jagten dem Kraken entgegen, waren mit glänzenden Schwertern bewaffnet und kamen mir vor wie Geistwesen.
Die stummen Götter!
Ich hatte nur für einen Moment ihre Gesichter sehen können und erinnerte mich an den Besuch in der Schlucht der stummen Götter. Sie wollten gegen den Kraken angehen. Ich fragte mich, ob ich jetzt den entscheidenden Kampf zwischen den beiden so unterschiedlichen Parteien erlebte, das geschah nicht, denn die Welt veränderte sich abermals. Sie schob sich zusammen, und die Berge verschwanden wie auf einem Transportband nach hinten.
Andere Gegenden entstanden. Riesige Wälder, Sümpfe und auch knochentrockene Ebenen. Kontinente, über die der Wind pfiff, beherrscht von geheimnisvollen Wesen und Mutationen.
Menschen bekam ich nicht zu Gesicht, dafür Monster, Dämonen in aller Scheußlichkeit, die sich gegenseitig bekämpften. Feuer entstand. Gewaltige Lohen, die als vernichtender Atem über die Kontinente fuhren und alles zerfraßen, was sich ihnen in den Weg stellte. So also hatten die dämonischen Kämpfe der mächtigen Diener des Bösen ausgesehen, als es noch keine Menschen auf dem Erdball gab. Sie konnten sich nicht vertragen. Jeder gierte nach Macht und Reichtum. Jeder wollte gewinnen, und der Schwächere von ihnen musste seinen grausamen Tribut zahlen.
Mich bannten diese Ereignisse. Aus der Rolle des Zuschauers konnte ich die ersten Auseinandersetzungen zwischen den Mächten miterleben, ohne allerdings Details zu erkennen oder zu wissen, welche Namen die Mächtigen hatten oder wie sie sich rufen ließen.
Hier wurden Grenzen gesetzt, hier wurde die damals bekannte Welt schon in schwarzmagische Machtblöcke aufgeteilt.
Mir fiel allerdings auf, dass sich die Kräfte des Lichts zurückhielten. Sie überließen die Erde den schwarzmagischen. Mächten, die sich mit nahezu brutaler Gewalt gegenseitig zerfleischten. Es wurde viel dämonisches Blut vergossen. Manchmal sah ich Tausende von monströsen Leichen, die allmählich verfaulten oder sich in stinkenden Wolken auflösten.
Die Erde hatte viel erlebt. Nicht nur in meiner Zeit, auch schon damals, als es die Menschen noch nicht gab.
Und wieder veränderte sich das Bild wie in einem Zeitraffertempo. Neue Kontinente formten sich. Naturkatastrophen sorgten dafür. Die Erde kochte in ihrem Innern. Gewaltige Kräfte wurden in Explosionen freigesetzt. So entstanden nicht nur neue Meere und Gebirge, sondern auch gewaltige Vulkane, die Feuer, Rauch und Tod in die Atmosphäre jagten.
Abermals sah ich dämonische Gestalten in dieser unheilvollen Flammenwand. Sie wollten die Natur beherrschen, kämpften gegen sie an, und einigen von ihnen gelang es, sie zu unterjochen. Einige Male entdeckte ich dazwischen und immer an anderen Stellen noch ein
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