Geister-Dämmerung
fassen, begreifen oder verarbeiten. Ich musste es einfach darauf ankommen lassen.
An der rechten Seite des Sehers ging ich vorbei. Das Rätsel über seine Person hatte er nicht gelöst. Nach wie vor war mir unbekannt ob er aus einer, zwei oder drei Personen bestand. Aber ich war mir sicher, dass ich es irgendwann herausfinden würde.
Noch zwei Schritte, dann befand sich die Steinfigur, die reden konnte wie ein Mensch, hinter mir.
Und so wartete ich ab. Ich schaute gegen die Wand. Vom Felsen aus kam sie mir noch größer und gewaltiger vor als zuvor vorn Boden. Ich schaute in sie hinein, sah dieses schwerfällige Tanzen und Bewegen der Flammen, aber auch die Blitze, die unaufhörlich in sie hineinschossen, wobei sie leider noch nichts erreicht hatten.
Zwischen dem Felsen und der Wand aus Feuer jagten die Kreaturen dahin. Monsterwesen aller Arten und Schattierungen. Manche drehten sich im Flug, als wollten sie sich gegen den unheimlichen Sog des Feuers anstemmen, aber die Kraft der Flammen war viel stärker. Keine Mutation konnte je entwischen, obwohl sie schrien, denn auch sie fühlten die Urängste eines wenn auch schwarzmagischen Lebewesens, das kurz vor Erreichen des Feuers zu einem lautlos explodierenden Schatten wurde, um anschließend gefressen zu werden.
Der Spuk hielt das Feuer unter seiner Kontrolle. Er hatte mit dem großen Aufräumen begonnen und würde nicht eher ruhen, bis alles aus dem Pandämonium vernichtet war.
Ihn konnte man als den wahren Herrn des Urfeuers bezeichnen. Aber der Seher kämpfte gegen die Flammen an. Er wollte die Grenze zerstören, und wenn er dies nicht schaffte, sie zumindest einreißen, damit auch ich sehen und an seinem Wissen teilhaben konnte. Die Blitze veränderten sich.
Sie jagten nicht mehr so oft und auch nicht so schnell in das Feuer hinein, dafür jetzt konzentrierter und auch mit mehr Kraft. Es war dem Seher sogar gelungen, sie zu gelbweiß leuchtenden Licht-oder Energiebündeln zu sammeln.
Ich spürte, dass etwas in der Luft lag. Da konzentrierte sich eine gewaltige Gegenkraft, die vom Seher gegen das Feuer gelenkt wurde. Er wollte zeigen, dass er noch Macht besaß. Vielleicht war es auch eine persönliche Abrechnung zwischen ihm und dem Spuk. Mochte es sein, wie es wollte, ich hoffte jedenfalls, davon profitieren zu können. Plötzlich sah ich keine Blitze mehr. Hatte der Seher aufgegeben? Nein, wenn es überhaupt eine Mitte dieser Wand gab, dann konzentrierte sich die von dem Seher gelenkte Gegenmagie darauf.
Es war eine an den Außenrändern zerfasernde Sonne. Jedenfalls fiel mir kein anderer Vergleich dazu ein, denn die Energie in der Flammenwand leuchtete ebenso hell wie die Sonne. Da brodelte es, da tat sich etwas. Dort musste sich einfach einiges aufbauen.
Wurde die Sonne größer?
Nein, aber ich brauchte auch keine Furcht zu haben. Ihre Kraft intensivierte sich. Dies nahm ich wahr, weil der Mittelpunkt des Kreises so hell leuchtete.
Manchmal spricht man von einem Zittern der Hände oder des gesamten Körpers. So jedenfalls kam es mir vor. Ich hatte das Gefühl, als würde die Energie von diesem großen Punkt auf mich übergehen. Das Atmen fiel mir schwerer. Ich hätte den Seher gern gebeten, mir eine Erklärung zu geben, und vergaß meinen Vorsatz von einem Augenblick zum anderen, weil sich innerhalb des Energiekreises etwas abzeichnete. Ein Gesicht!
Züge, die ich schon oft gesehen hatte. Sogar noch vor wenigen Minuten, denn so wie das Gesicht in der Sonne aussah, wirkte auch der Seher hinter mir.
Es gab keinen Unterschied. Beide Gesichter waren identisch. Für mich stand fest, dass sich der Seher als Geistwesen in allerhöchste Gefahr begeben hatte. Er kämpfte gegen den Flammenvorhang an, dem es gegeben war, eine Trennlinie zwischen zwei gewaltigen und kaum erklärbaren Dimensionen zu bilden. Konnte der Seher es überhaupt schaffen?
Ja, er versuchte es.
Urplötzlich explodierte innerhalb der Flammenwand dieser grelle Energieball, und ein Licht, heller als 1.000 Sonnen, strahlte mir entgegen.
Es war gewaltig, unfassbar. Ich hatte die Arme hochgerissen, weil ich mich schützen musste, aber dieses Licht war nicht das, was ich von der Erde her kannte. Es machte mich regelrecht blind, so dass ich gezwungen war, zunächst einmal abzuwarten, denn irgendwann würde die Helligkeit auch wieder zusammenfallen.
Das geschah. So schnell, dass ich es später erst mitbekam. Sie brach zusammen, die Blendung verschwand, ich öffnete die Augen und konnte
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