Geisterblumen
dir was, er ist jeden Dollar seines Honorars wert. Bevor er mich unter Vertrag genommen hat, habe ich in der dritten Person von mir geredet. Erschreck! Blaze hat mich total vor mir selbst gerettet.«
Ich steckte noch halb in dem gelben Pullover und starrte sie an. »Sprichst du jetzt in Emoticons?«
»Ich teste Schlagworte.« Sie hielt mir ein violettes Sweaterkleid hin, und ich begriff, dass ich es als Nächstes anprobieren sollte, obwohl ich theoretisch noch sechs Outfits aus der Tageskollektion vor mir hatte. »Die Sache ist die, es ist nicht so einfach, wie du glaubst. Früher reichte ein Sexvideo, schon warst du ganz oben. Aber jetzt musst du die Sache langsam aufbauen, und TMZ kommt nicht einfach aus Spaß nach Tucson.«
Ich fummelte am Reißverschluss des Kleides – manche Sachen sind einfach schwierig mit einer Hand –, worauf Coralee mir half und dabei die ganze Zeit weiterredete.
»Darum bist du auch ein Geschenk des Himmels. Blaze sagt immer, dass ich eine Fehde brauche, aber meine Mädels sind alle zu nett. Du hingegen bist perfekt – ehemalige Feindin und wildes Mädchen, jetzt auch noch mit einer geheimnisvollen Vergangenheit. Grins.« Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete das Kleid. »Sehr schön, aber dazu gehört eine Kette. Du musst es richtig machen, versprochen?«
Ich versuchte, ihr ganzes Gerede zu sortieren, während sie sich über den Konsolentisch beugte und ein samtbezogenes Tablett mit Schmuck in die Hand nahm. »Dein Ziel ist es also, ein Reality-Star im Internet zu werden? Meinst du nicht, das ist ein bisschen …« Ich zögerte. Ich wollte nicht gemein sein, aber mir fiel nur ein Adjektiv ein. »Jämmerlich?«
Sie hielt einen Moment lang inne und neigte den Kopf zur Seite. Dann richtete sie sich
langsam auf und sah mich an. »Nicht ganz«, sagte sie. Sie schaute knapp über mich hinweg und biss sich von innen auf die Wange. »Ich meine, es war in Ordnung, aber du musst – wie soll ich sagen – es dir
zu eigen machen
. Sei nicht zu zaghaft. Sag, was du meinst. Na los, noch einmal.«
»Was noch einmal?«
»Deinen Text. Sprich ihn nicht wie eine Frage, sondern als wolltest du mich wirklich
verletzen.
Das ist ein bisschen jämmerlich.
So wie du es gesagt hättest, bevor du verschwunden bist. Du hättest mich richtig angegriffen. Jetzt wirkst du irgendwie … ich weiß nicht, anders.« Sie musterte mich. »Ich kann es nicht genau beschreiben, aber …«
Nun wurde es gefährlich. Falls Coralee Gold mein Geheimnis herausfände, wäre ich geliefert. Sie würde es in null Komma nichts im Netz verbreiten. Ich fuhr sie an.
»Das ist lächerlich.«
»Ja!«, verkündete Coralee und stieß die Faust in die Luft, als hätte sie einen Punkt gemacht. »Das ist genau der richtige Ton. Ich besorge dir einen Twitter-Account und twittere für dich. Und du musst nur in der Öffentlichkeit mit mir streiten. Privat können wir befreundet sein. Telefon.« Sie streckte die Hand aus, und ich begriff, dass es ein Befehl war. Als ich zögerte, machte sie eine ungeduldige Her-damit-Geste. »Irgendwann, vermutlich in ein paar Monaten, je nachdem, wie es läuft, werden wir uns öffentlich entschuldigen und beste Freundinnen sein und enthüllen, dass wir schon immer Kumpel waren. Also ist es absolut in Ordnung, wenn du mir E-Mails schickst und SMS und so. Ich habe mich gerade eben von deinem Telefon aus angerufen, also habe ich jetzt deine Nummer, und du hast meine.« Sie legte das Telefon weg und griff nach einer Kette aus durchsichtigen, runden Steinen mit einem verspiegelten Anhänger. »Hier, zieh die mal an.«
Sie trat zurück, betrachtete mich und schüttelte den Kopf. »Nein, nicht richtig. Moment.« Sie ging wieder zu dem Tisch mit den Accessoires. »Dreh dich um.«
Ich gehorchte, und sie legte mir ein enges Halsband aus verschlungenen Silberketten und Kristallen an. Dabei strichen ihre Fingerspitzen sanft über meine Haut, und mir stockte der Atem. Sie rührte sich nicht, als ich mich umdrehte. Wir standen einander gegenüber, Nase an Nase, nur eine Handbreit voneinander entfernt.
Ich roch ihren teuren Conditioner und ihren Lipgloss und das Zimtkaugummi, das sie vorhin gekaut hatte. Sie schaute mich ungewöhnlich direkt an, und etwas an dieser Nähe ließ mich erschauern, vielleicht war es Erwartung oder Angst oder beides. So nah hatte ich noch nie vor einem Mädchen gestanden. Ihre dichten Wimpern senkten sich, als ihr Blick meine Lippen streifte und wieder hoch zu meinen Augen
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