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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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wanderte.
    Sie strich mit der Fingerspitze über meine Wange. »Ich kann sehr gut küssen.«
    Ich lächelte und versuchte, unbekümmert zu wirken, damit sie nicht merkte, wie seltsam ich mich in ihrer Nähe fühlte. Oder dass ich keine Ahnung hatte, ob ich gut küsste oder nicht. »Soll das ein Angebot sein?«
    »Es ist eine Tatsache«, entgegnete sie. »Wäre toll für die Bewertungen.« Ihre Fingerspitze ruhte auf meinem Mundwinkel. »Und es würde Spaß machen. Vielleicht nächste Woche, wenn wir die Fangemeinde etwas ausgebaut haben.«
    Ich schluckte. »Nein.«
    Sie beugte sich vor und neigte den Kopf, bevor sie mir ins Ohr flüsterte: »Die alte Aurora hätte es getan.«
    Ihr Atem an meinem Ohr fühlte sich weich und warm an, und das Kribbeln in meinem Inneren hatte sich in eine sprudelnde, fordernde Hitze verwandelt. Ich spürte meinen Pulsschlag in den Knien, als sie ihre Hand über meinen Oberarm bewegte, und der Strickstoff des Kleides schien wie elektrisch auf meiner Haut zu knistern. Es war lange her, dass mich jemand geküsst hatte.
    Ich wich zurück. »Das Nein bezog sich nicht nur auf das Küssen. Ich sage Nein zu allem. Diese Show, was immer du willst. Deine Idee ist wirklich … außergewöhnlich, aber ich kann da nicht mitmachen. Meine Großmutter würde es nicht zulassen, und ich will es nicht gegen ihren Willen tun.«
    »Oh, natürlich«, sagte Coralee und lachte, als hätte ich einen besonders guten Witz gemacht.
    »Ich meine es ernst.«
    »Sagt das Mädchen, das um einer Wette willen nur mit Stringtanga und Cowboystiefeln bekleidet über den Golfplatz des Ventana-Country-Clubs geritten ist. Und zwar während des Wohltätigkeitsturniers ihrer Großmutter. Du bist doch der verkörperte Ungehorsam.«
    »Damals … war ich ein anderer Mensch«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Ich habe einen neuen Anfang gemacht.«
    Coralee tat meinen Einwand ab. »Das sagst du jetzt, aber warte ab, bis du deinen eigenen Spin-off hast.«
    »Hörst du mir überhaupt zu?«
    Sie verdrehte die Augen. »Ich war auch mal so ein Mein-Facebook-Foto-ist-gräßlich-Griesgram, aber jetzt bin ich wild entschlossen. Blaze sagt, damit würde ich es ganz nach oben schaffen. Damit und mit Gottes Hilfe. Du wirst es dir noch anders überlegen.«
    Sie öffnete in rascher Folge einige Internetseiten auf ihrem Smartphone und zeigte mir eine. »Hier, du hast schon deine eigene Fanseite.«
    » AURORA SILVERTON IST HEISS . WÜRD SIE GERN VERSOHLEN «, las ich. »Von wegen, bleib mir gestohlen.«
    »Retweet! Das twittere ich von deinem Account. Du bist ein Naturtalent!« Sie tippte mir auf die Nasenspitze. »Ach, und ich will die Exklusivrechte an deiner Story.«
    »Ich bin mir nicht sicher …«
    »Hör mal, alle werden versuchen, Interviews zu kriegen, aber ich dachte, wir könnten stattdessen … die Nacht deines Verschwindens nachspielen.«
    »Nein«, erwiderte ich mit Nachdruck, vielleicht ein bisschen zu sehr, denn sie runzelte die Stirn. Mir wurde schwindlig bei der Vorstellung. Selbst wenn ich mich hinter der Amnesie versteckte, könnte die Sache vollkommen schieflaufen. Doch es wäre auch gefährlich, den Verdacht einer zukünftigen Investigativ-Journalistin mit großer YouTube-Gemeinde zu wecken. »Das … das geht nicht«, stotterte ich. »Alle Interviews müssen über Jordan North laufen. Außerdem kann ich mich nicht erinnern, was in der Nacht passiert ist. Ich erinnere mich an gar nichts. Das ist also …«
    Sie hob die Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. »O-M-genial. Hör zu: Wir machen eine Séance. Madam Cruz wird dich ohnehin noch einmal sehen wollen; das wäre ideal.«
    »Coralee, das ist …«
    »Sag nichts. Ich kümmere mich um alles. Nettes Gespräch. Knuddel.«
    Und schon war sie durch den Vorhang verschwunden. Sekunden später klapperten die Holzringe wieder, und sie steckte noch einmal den Kopf herein. »Ich trage am liebsten ROGG , also käme es für die Kamera am besten, wenn du dich auf BIV konzentrierst. So wie das, was du gerade anhast, einfach perfekt.« Mein Gesichtsausdruck musste verraten haben, dass ich keinen Schimmer hatte, wovon sie sprach, denn sie fügte hinzu: »Das sind die Farben des Regenbogens. Du bekommst Blau, Indigo und Violett, ich nehme Rot, Orange, Gelb und Grün.«
    Damit war sie verschwunden.
    Ich war mir sicher, dass Coralees Plan sich ganz und gar nicht mit Altheas Vorstellungen vertrug und dass Althea diesen Kampf gewinnen würde. Also beschloss ich, mir deswegen keine Sorgen

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