Geisterblumen
Abend auf der Party gewesen, als Aurora verschwunden war. Aurora hatte eine Weile für ihn geschwärmt, aber er war nicht der Typ vom Fotostreifen. Wie würde sie auf dieses Wiedersehen reagieren?
»Na ja, es sollte nicht aussehen, als würde ich mich an dich ranschmeißen …
Sofort
, meine ich.«
Er lachte und zog mich an sich. Er roch wirklich gut, und ich begriff, weshalb Aurora auf ihn gestanden hatte.
»Es ist schön, dass du wieder da bist.« Er löste sich von mir. Die Umarmung war rein freundschaftlich gewesen, aber etwas in seinem Blick machte mich ein bisschen verlegen.
Zum Glück trat Coralee zwischen uns, bevor ich mir eine schlaue Antwort überlegen musste. »Was machst du hier draußen?«, zischte sie.
Mein Blick wanderte von ihr zu Grant. »Hast du die ganze Zeit die Umkleidekabine gefilmt?«
Er nickte. »Natürlich. Befehl vom Kapitän.« Er deutete auf Coralee. »Leider haben wir gerade aufgehört, daher konnte ich deinen mutigen Rekordversuch im Hechtsprung nicht mehr aufnehmen. Ich bin sicher, es hätte Bonuspunkte für die elegante Kleidung gegeben.«
»Dürfte ich mal das Video sehen?«
Coralee hatte erfolglos versucht, uns zu unterbrechen, trat jetzt aber entschieden
zwischen Grant und mich. »Wenn du den Film sehen willst, musst du dich auch bereiterklären,
im
Film zu sein«, verkündete sie, als wäre das eine eiserne Regel. »Das heißt, du bist in meiner Show.«
Ich nickte. »Okay.«
Sie wirkte ein bisschen überrascht. »Und du gibst mir ein Exklusivinterview.«
»Geht auch in Ordnung. Kann ich es jetzt sehen?«
»Ja. Sicher.« Sie schien nicht ganz zu begreifen, was gerade passiert war.
Sie reckte den Daumen in Grants Richtung, und er klappte den Dickens-Roman auf, in den ein iPad eingelassen war. »Die Kamera ist im Buchrücken.« Er tippte auf den Bildschirm, um das Video aufzurufen. »Bereit?«
»Yeah.«
Er drückte auf
Play.
Es fing an, als Coralee die Umkleide betrat, und dann war so lange nichts zu sehen, dass ich ihn bat, das Video vorlaufen zu lassen. In der dritten Minute steckte Coralee den Kopf heraus und ging dann wieder hinein, da hatte sie mir ihr Kamerateam gezeigt. Sieben Minuten lang passierte gar nichts, bis Maisie hineinging und Coralee herauskam. Sie sprach kurz in die Kamera, und man sah im Hintergrund Bridgette die Umkleidekabinen betreten, worauf Coralee das Zeichen für »Cut« gab.
»Ich habe nichts gesehen«, verkündete Coralee.
Das ging mir genauso.
Ich suchte fieberhaft nach einer Erklärung: Das Mädchen war eine Illusion gewesen. Ich habe Dinge gesehen. Es war meine Einbildung. Ich war müde. Ich stand unter dem Einfluss der Bilder, die mir Detective Ainslie gezeigt hatte.
Ich wollte mir verzweifelt einreden, dass es nichts mit der Stimme zu tun hatte, die mir auf der Polizeiwache nicht nur ins Ohr, sondern geradewegs in meinen Kopf geflüstert hatte, die von mir Besitz ergriffen hatte wie … wie ein überirdisches Wesen. Ein Geist.
Es gibt keine Geister!
Grant beobachtete mich aufmerksam. »Geht es dir gut? Du siehst aus, als müsstest du dich setzen.«
Ich schüttelte den Kopf.
Er fragte: »Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«
»Ich weiß es nicht. Ich dachte, ich hätte jemanden gesehen …«
»Wen?«, wollte Coralee wissen.
»Liza.«
Sie hielt einen Moment lang vollkommen still, als hätte ihr jemand den Strom ausgeschaltet. Dann war sie wieder da, riss ihr Handy heraus. »Das war’s. Jetzt rufe ich Madam Cruz an. Wir machen die Séance noch heute Abend.« Sie tat etwas, das sie wohl als »Augenzwinker« bezeichnet hätte. »Es ist kurzfristig, aber wir sind nicht umsonst Gold wert.«
Im Geist hörte ich Madam Cruz sagen:
Die Geister werden sich rächen. Geh! Weg von hier! Wenn du ein bisschen Vernunft besitzt, wirst du für immer von hier fliehen
.
»Ich glaube wirklich nicht …«, wollte ich sagen, doch Coralee fiel mir beschwingt ins Wort. »Keine Sorge, du musst einfach nur dort auftauchen.«
Sie machte sich an ihrem Handy zu schaffen, und Grant und der Tontyp, der sich selbst als Huck Chin vorstellte, packten ihre Sachen zusammen. In diesem Moment stolzierte Bridgette herbei. Sie bedachte Grant mit einem Nicken und einem kühlen Lächeln, ignorierte die beiden anderen und fragte mich in strengem Ton: »Was machst du hier draußen?«
»Coralee hat mir mit den Knöpfen geholfen.« Ich deutete auf die Vorderseite des Kleides.
»Wir sind hier, um dir Kleider zu kaufen, nicht um ein Musikvideo zu drehen.
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