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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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des Kleiderschranks. Auf den ersten Blick war diese Seite leer, doch dann drückte sie einen Schalter, das Licht ging an, und ich sah, dass der Schrank keine Rückwand hatte. Durch ihn gelangte man in einen engen, dunklen Flur, der parallel zum Flur draußen verlief.
    »Das Haus ist voller Geheimgänge, die du nie entdeckt hast«, erklärte Mrs March. »Deine Großmutter hat diesen benutzt, um in dein Zimmer zu gelangen und dafür zu sorgen, dass deine Tür abgeschlossen ist. Sie hat sich davon überzeugt, dass du in Sicherheit bist. Sie ist ein bisschen paranoid geworden, und sie … sie hat ständig Angst vor Dieben.«
    »Wieso?«
    Mrs March schloss beide Schranktüren und stand ganz still da, mit dem Rücken zu mir, als wollte sie eine Entscheidung treffen. »Ihr Verstand ist nicht mehr so klar wie früher.« Sie drehte sich zu mir um. »In letzter Zeit, vor allem in den vergangenen Monaten, ist sie manchmal verwirrt. Ihre Gedanken schweifen ab und landen dann immer bei dir und deiner Mutter. Ich glaube …« Sie schüttelte den Kopf. »Arthur hat mir erzählt, es sei auch heute Abend auf dem Weg zum Golfclub passiert.« Ich nickte. Sie schaute auf ihre Hände, als wünschte sie, es stünde in ihrer Macht, das alles zu reparieren. »Sie merkt, dass es passiert, und es macht ihr Angst. Sie hat Arthur und mich gebeten, es der Familie gegenüber nicht zu erwähnen. Die würden sie in Windeseile in ein Heim bringen. Aber es wird schwieriger.«
    Der Rucksack wog unerträglich schwer auf meinen Schultern.
    Mrs March sprach leise weiter, den Blick noch immer auf ihre Hände gerichtet. »Sie glaubt, den Leuten ginge es nur um ihr Geld. Sie hat Angst, dass du nach deinem Geburtstag weggehst.«
    Plötzlich sah ich Althea nicht mehr als kalte, hinterhältige Matriarchin, sondern als einsame alte Frau, die verzweifelt die Kontrolle behalten will, und das auf die einzige Weise, die sie kennt. Nicht aus Grausamkeit, sondern weil sie spürt, wie ihr eben diese Kontrolle entgleitet, und weil ihr ohne sie niemand Beachtung schenken würde.
    Mrs March sah mich an. Ihr Blick war direkt und forderte absolute Aufrichtigkeit. »Würdest du das tun?«
    »Ob sie was tun wird?«, fragte Althea, die plötzlich in der Tür aufgetaucht war. »Ihr steht mitten in der Nacht fast in meinem Schlafzimmer und schwatzt.«
    »Ich habe Aurora durchs Haus geführt«, erwiderte Mrs  March.
    Althea runzelte die Stirn. »Um Mitternacht?« Dann blickte sie leicht verwirrt. »Es ist doch Mitternacht, oder?«
    »Ja. Sie konnte nicht schlafen.«
    Altheas Blick traf den meinen. »Ich konnte auch nicht schlafen. Ich habe von Dieben geträumt.« Sie rieb die Finger aneinander. »Ich habe mich besser gefühlt, als ich noch die Pistole unter dem Kopfkissen hatte.« Sie schaute mich an. »Ich nehme an, du hast keine Lust auf eine Partie Gin.«
    »Ich weiß nicht. Wirst du wieder schummeln?«
    »Hören Sie das?«, fragte sie Mrs March. »Beschuldigt ihre eigene Großmutter, sie würde schummeln.«
    »Nun, das tun Sie ja auch.«
    »Unverschämt. Alle beide.« Aber sie war glücklich. Es war, als hätte es die Szene im Auto nie gegeben. »Komm schon. Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit, und ich möchte ein bisschen Geld gewinnen.«
    Sie führte mich in ihr Schlafzimmer. Es war altmodisch eingerichtet, dunkelrote Tapete, ein großes Himmelbett aus Mahagoni und Perserteppiche. Ein runder Kartentisch stand in der Nähe der Fenster, vor denen schwere Vorhänge hingen. An einer Wand waren ein Tigerkopf, ein Fuchs, ein Kaninchen und ein Hirschkopf angebracht, die alle leicht verstaubt wirkten. »Die habe ich alle selbst geschossen«, verkündete sie stolz. »Setz dich. Ein Cent den Punkt. Du gibst.«
    Am Tisch standen nur zwei Stühle. Mrs March war verschwunden und kam kurz darauf mit Milch und Keksen zurück. Vierzig Minuten später räumte sie die Teller ab. Althea gähnte und legte die Karten weg. »Tut mir leid, meine Liebe. Ich glaube, ich muss ins Bett.«
    Ich rechnete die Punkte zusammen. »Das sagst du nur, weil ich gerade gewinne.«
    Ihre Augen funkelten. »Das ist nicht wahr. Um das zu beweisen, spielen wir morgen früh weiter. Zwei Cent den Punkt.«
    »Einverstanden.« Mir wurde klar, dass ich spontan entschieden hatte hierzubleiben. Selbst wenn mit den Silvertons sonst nichts stimmte, das hier war gut und richtig.
    Ich half Althea ins Bett. Als ich zur Tür ging, sagte sie: »Es ist so schade, dass du sie nicht sehen kannst. Sie … deine Tochter

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