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Geisterfahrer

Geisterfahrer

Titel: Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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inne. Janine hatte mit meinen sexuellen Wunschvorstellungen wenig zu tun, aber die ließen sich ohnehin auf eine Silbe reduzieren, die ich zu denken nicht mehr in der Lage war. Sie sah gut aus, wirklich gut, und sie stand neben mir, in Greif- und Geruchsweite, unentschlossen, aber begierig meine rechte Hand fixierend, die damit aufgehört hatte, Freund Schüttelfrost zu verstauen.
»Nicht was?«, fragte ich, und die Implikationen dieser Fragestellung ließen den kleinen Tim Blut saugen.
Janine trug ihre Arbeitsuniform: Kurzer Rock, Pumps, schwarze Strümpfe, halbdurchsichtige Bluse, kein BH. Wolfgang liebte das. Sie brüllte ihn nieder, wenn er mit seinen schwieligen Pranken auch nur in ihre Nähe kam, aber sie trug die Klamotten trotzdem. Bei aller Beschränktheit wusste sogar Janine, aus welchem Grund sie wirklich hier arbeitete. Sofern man als »Arbeit« bezeichnen wollte, was sie tat. Meistens saß sie einfach nur da und starrte auf das Telefon oder ihre eigenen Fingernägel, wenn sie nicht gerade im Hof stand, rauchte und sich von den Kunden begaffen ließ.
»Wir könnten ein bisschen Spaß haben«, schlug ich vorsichtig vor, weil Janine nichts sagte. Ich hatte noch immer die rechte Hand am Glied.
Sie schloss und öffnete den Mund wieder, antwortete aber nicht. Also erhob ich mich und nahm sie einfach in den Arm.
Der Volksmund behauptet, dass dumm gut fickt. Entweder war Janine nicht wirklich dumm, oder der Volksmund hatte unrecht. Aber es war immer noch okay genug, um mit dem Wichsen aufzuhören – und es zu wiederholen, an fast jedem Sonntag, außer wenn Jani-nö ihre Tage hatte. »Ich habe Erdbeersuppe«, sagte sie dann, am Freitagnachmittag, wenn wir uns im Büro voneinander verabschiedeten. Anfangs hielt ich das für eine ironische Bemerkung, aber später kam ich dahinter, dass sie das immer so nannte.

4. Enthüllungen
    »Und was willst du mir erzählen?«
    Wir sind im Wohnzimmer, Janine trinkt aus der Flasche, mir hat sie noch nichts angeboten, aber ich mag Sekt auch nicht. Ich hätte gerne ein Bier, das aber mag Janine wiederum nicht, deshalb hat sie keines im Haus.
    »Sie ist eine Schlampe. Eine Schlampe.«
»Aha.«
»Und sie verarscht dich.« Ab der Satzmitte spricht sie leise, als
    wenn das schlimme Wort – »fa-aascht« – dadurch weniger schlimm wäre.
    Ich setze mich auf das Sofa, das unserem sehr ähnelt, Janine steht vor mir und nestelt ziellos an ihrer Bluse herum.
»Aha«, wiederhole ich.
»Die blöde Kuh«, sagt sie.
Langsam bin ich genervt, und meine Lust hat sich auch weitgehend verabschiedet. Ich nehme mir eine Zigarette, sie greift auch nach der Schachtel, zerknautscht die Fluppe ein bisschen, und dann schafft sie es nicht, sich das Ding anzuzünden. Ich nehme ihr die Kippe ab, mache sie an und reiche ihr den brennenden Glimmstängel zurück.
»Vielleicht sollte ich lieber gehen«, schlage ich vor.
»Nein!«, kreischt sie. »Du bist doch mein Lieber. Mein Schöner.« Dabei beugt sie sich herunter, wobei sie beinahe umfällt, und streicht mir übers Haar. »Wir müssen Jani-nös Geburtstag feiern.«
Ich hebe die Hände und versuche ein Lächeln. Janine plumpst neben mir aufs Sofa. Dabei furzt sie, ohne es zu merken. Jetzt muss ich tatsächlich lächeln.
»Frau Kaiser, mein Lieber«, beginnt sie und nimmt noch einen Schluck aus der Pulle. »Was deine tolle Frau ist.« Sie zieht an der Zigarette und sieht mich an, für einen Moment ist etwas wie Klarheit in ihrem Blick. »Vielleicht sollte ich das doch nicht sagen.« Sie nimmt die Hand mit der Zigarette vor das Gesicht, zeigt mir ihre glitzernd verzierten Nägel. Janine würde ein Arschgeweih tragen, gäbe es ein Tätowierstudio in der Gegend.
»Raus mit der Sprache.«
»Wundert dich eigentlich nicht, dass ihr Bruder, der Norbert, nie aus Mexiko zurückgekommen ist? Nicht mal auf Urlaub?«
Nichmaaufuhlaup.
»Er wird viel zu tun haben«, sage ich. Tatsächlich habe ich seit Jahren nichts mehr von ihm gehört, geschweige denn an ihn gedacht. Ich nehme an, dass Gisela mit ihm Mails austauscht oder telefoniert, aber sie erzählt nie von Norbert. Ich frage mich, warum Janine mit mir über ihn sprechen will. Es interessiert mich nicht, was mein Schwager macht, der nicht einmal zur Hochzeit angereist ist. Wenn ich mich richtig erinnere.
Sie lacht kieksend. »Ja, der Herr wird viel zu tun haben.«
Ich warte.
»Der Roland. Dein Sohn.« Sie spricht die letzten beiden Worte verächtlich aus, sofern überhaupt noch von Betonung die Rede sein kann.

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