Geisterfjord. Island-Thriller
Garðar gähnte ausgiebig, nachdem er erst erfolglos versucht hatte, es zu unterdrücken. »Die wirken bestimmt gleich.« Sie schwiegen eine Weile, unsicher, ob sie auf weitere unwillkommene Geräusche lauschen sollten. Doch sie hörten nur ihre eigenen Atemzüge. »Ich denke, wir bleiben dabei, dass ihr euch jetzt hinlegt, und wenn ich nicht mehr kann, übernimmst du, Líf.«
»Ich?« Erstaunen und Bestürzung hielten sich in Lífs Stimme die Waage. »Soll ich etwa alleine Wache halten?«
»Wir sind nur zu dritt, Líf, und Kata ist verletzt. Am besten schläft sie, solange die Tabletten wirken, und übernimmt dann später. Und dann nimmst du einfach noch eine Dosis, Kata, und bleibst so lange wach, wie du kannst. Ich löse dich wieder ab, und dann ist die Nacht hoffentlich rum.«
Katrín hielt das für sehr optimistisch – Líf war so lustlos, dass sie bestimmt nicht lange Wache halten würde. Garðar und sie würden wahrscheinlich jeweils zwei Wachen übernehmen müssen, bevor der Morgen graute. »Aber ich komme nicht die Treppe rauf. Ich muss hier unten schlafen.« Keiner sagte etwas. Sie waren alle zu müde, um zu begreifen, was das bedeutete. Schließlich durchbrach Katrín die Stille: »Wenn jemand meine Isomatte runterholt, schlafe ich einfach in der Stube. Da ist es auch nicht schlimmer als oben.« Sie verdrängte den Gedanken an die vielen Fenster, die es dort gab – Fenster, durch die man, anders als im Obergeschoss, leicht eindringen konnte.
»Dann schlafen wir eben alle da«, sagte Garðar und stand auf. »Komm, Líf, lass uns die Sachen runterholen.«
»Aber …« Líf stand resigniert auf. »Ich will nicht schlafen.«
Garðar stöhnte. Er war mit seiner Geduld am Ende. »Und was jetzt? Willst du alleine Nachtwache halten?«
»Nee, ich will nur nicht schlafen, weil dieser Plan total bescheuert ist. Wenn ich eingeschlafen bin, habe ich den komplett vergessen, dann weckst du mich und ich soll alleine wach bleiben. Da kann ich genauso gut die erste Wache übernehmen, verstehst du?«
Katrín wurde auf einmal unglaublich müde. Bisher hatte sie zu große Schmerzen und zu viel Angst gehabt, um Müdigkeit zu verspüren, aber jetzt traf es sie mit voller Wucht. »Warum machst du es dann nicht einfach?«
»Wir schauen einfach mal«, sagte Garðar und zog Líf mit sich, um die Isomatten zu holen, bevor sie etwas entgegnen konnte. Ihrem Blick nach zu schließen, den sie Katrín zuwarf, als sich Garðar auf dem Weg zur Tür nach einer Kerze aus der Tüte bückte, wäre ihre Antwort alles andere als freundlich gewesen. Als die beiden weg waren, schaute Katrín zu Putti und hätte sich unglaublich gerne zu ihm hinuntergebeugt und ihn gekrault. Aber sie ließ es bleiben, aus Angst, ihren Fuß zu bewegen, und hoffte inständig, dass die Tabletten endlich wirken würden. Sie hörte Garðars und Lífs Schritte auf der Treppe und einen kurzen, aber Gott sei Dank freundlichen Wortwechsel. Ausgerechnet jetzt sollten sie sich wirklich vertragen. Sie musste sich schließlich auch zusammenreißen und Líf ertragen, die sich wesentlich schlimmer aufführte als sonst. Aber sie würden sich nicht mehr lange quälen müssen, der Albtraum war bald zu Ende, und die restliche Zeit sollten sie sich lieber nicht unentwegt kabbeln und streiten. Katrín nahm sich vor, nichts mehr zu sagen oder zu tun, das Líf reizen könnte.
»Wir sind fertig.« Líf stand mit genervter Miene in der Türöffnung. »Garðar breitet die Schlafsäcke aus.«
Katrín zuckte zusammen. »O Mann, ich bin eingenickt.« Sie streckte sich und gähnte. »Du, ich hab eine Idee! Wenn du willst, können wir zusammen Wache halten. Wäre das nicht die beste Lösung? Wir bleiben wach, während Garðar schläft. Zu zweit ist es viel leichter, sich wach zu halten.« Sie lächelte Líf zu und hoffte, dass sie das Friedensangebot annehmen würde.
Erst runzelte Líf die Stirn und schien darüber nachzudenken, ob Katrín sie auf den Arm nehmen wollte. Dann erhellte sich ihr Gesicht, und sie grinste breit. »Super Idee! Soll ich dir ein paar Klatschgeschichten erzählen? Ich kenne so viele, da merkst du gar nicht, wie schnell die Nacht vorbei ist.«
»Unbedingt! Ich kenne gar keine, du brauchst also noch nicht mal zu übertreiben.« Katrín streckte sich noch ausgiebiger und wollte in die Stube gehen. »Ich weiß echt nicht, was ich machen soll, wenn ich heute Nacht mal aufs Klo muss.«
»Na, dann komme ich einfach mit.« Líf war so froh über Katríns
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