Geisterfjord. Island-Thriller
Abfindung bekommen, die ihm sorglose Tage bis an sein Lebensende garantierte. Aber Vermögen war schön und gut – ein regelmäßiges Einkommen war etwas anderes. Ersteres litt nämlich, wenn es nicht vernünftig investiert wurde, und dazu war Líf bestimmt nicht in der Lage. Genauso wenig, wie sie in der Lage war, sich einen Job zu suchen.
»Danke für das nette Angebot, aber es ist besser, wenn wir uns selbst um die Instandhaltung kümmern. Besser für uns. Und für dich auch«, entgegnete Katrín und lächelte Líf freundlich zu, denn sie hatte es ja nur gut gemeint. Aber Katrín wollte kein Geld von ihr annehmen, solange sie nicht selbst eine ebenso große Summe beisteuern konnten. Líf mochte hehre Absichten haben, aber Katrín konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Garðar Almosen von Einars Witwe annehmen würde.
»Warten wir mal ab. Jedenfalls weißt du, dass das Angebot steht.« Líf trank einen Schluck Cola und wirkte verhältnismäßig entspannt. Sie beobachtete Garðar, der immer noch fleißig mit Einreißen beschäftigt war. »Ich bin sehr froh, dass ich mit euch hier sein darf. Ich hasse es, immer nur alleine zu sein.«
»Das ist doch selbstverständlich«, entgegnete Katrín. Ein frischer Wind fegte ums Haus, und sie spürte die Kälte unter ihre Jacke kriechen. Sie vergaß das Frösteln, als sich plötzlich ein langes Brett, mit dem sich Garðar abgemüht hatte, löste und die Erde freilegte, die sich jahrzehntelang, wenn nicht gar ein ganzes Jahrhundert lang, unberührt unter der Terrasse befunden hatte. Zuerst war nichts Besonderes zu sehen, aber nach einem kurzen Augenblick konnte Katrín gelbliche Konturen in der dunklen Erde erkennen. »Was ist das?«
Garðar legte das zerbrochene Brett beiseite und spähte in das Loch. »Ich weiß nicht.« Er bückte sich und stocherte in der Erde herum. »Das sind Knochen. Vogelknochen, scheint mir.« Er schob trockene Erde beiseite und zog dann zwei kleine Knochen in der Größe von Fingerknöcheln heraus.
»Nein, das sind keine Vogelknochen.« Katrín beugte sich zu Garðar hinunter. Die Knochen waren schmutzig und sahen alt aus. »Die sind viel zu klobig, die müssen von einem Schaf sein. Aber wie kommen Knochen unter die Terrasse?« Sie spürte dieselbe Unruhe, die die Kreuze in ihr geweckt hatten. Katrín wusste so gut wie nichts über Knochen, aber genug, um sich darüber klar zu sein, dass diese zu dick für einen Vogel waren. Sofort schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie von einem Menschen sein könnten. Was, wenn die Gräber, von denen sie fürchteten, sie könnten in der Nähe des Hauses sein, sich buchstäblich darunter befanden?
»Igitt, soll das ein Witz sein?« Líf stellte die Coladose weg und spähte über Katríns Schulter in das finstere Loch.
»Das müssen Essensreste sein, oder ein Fuchs hat die Knochen angeschleppt. Vielleicht war hier mal ein Fuchsbau. Das Haus ist alt, und die Knochen sehen nicht sehr frisch aus«, sagte Garðar, schob vorsichtig weiter Erde beiseite und fand noch mehr Knochen, diesmal ein ganzes Tierskelett, das tatsächlich ein Fuchs hätte sein können. »Da, seht mal! Was habe ich gesagt?«
»Warum liegt ein toter Fuchs unter der Terrasse?« Katrín spähte so weit wie möglich unter die Bretter, konnte aber nur einen schwarzen, dunklen Hohlraum sehen. »Sterben die immer in ihrem Bau?«
»Das ist wahrscheinlich unterschiedlich. Vielleicht ist der Arme bei einer Schlechtwetterperiode verhungert.« Garðar zuckte mit den Achseln. »Die anderen Knochen sind bestimmt auch von einem Fuchs.« Garðar hob die beiden Knochen auf, aber sie passten nicht in das vollständige Skelett, das unter ihnen auf dem Boden lag. Keiner sagte etwas. Das einzige Geräusch, das von der kleinen Gruppe in die Dämmerung drang, war Puttis Winseln, der an den Knochen in Garðars Hand schnupperte und sofort entsetzt zurückwich.
Erst, als sie dicht beieinander in ihren Schlafsäcken lagen, merkte Katrín, dass Garðars Aussage nicht stimmen konnte. Füchse mieden menschliche Behausungen und hätten ihren Bau nie unter einem Haus angelegt. Garðar war eingeschlafen, und Katrín musste sich beherrschen, ihn nicht anzustoßen und ihm ihre Eingebung mitzuteilen. Sie wollte Lífs Befürchtungen nicht noch anstacheln. Die schlief ebenfalls tief und fest mit dem zusammengerollten, aber wachen Hund auf ihrem Schlafsack. Katrín zerbrach sich den Kopf darüber, wie die Knochen unter die unscheinbare Terrasse gekommen waren, bis
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