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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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sich bald auf den Rückweg machen musste. Der Mann war müde geworden und konnte seine Worte nicht mehr aufnehmen.
    »Ich komme morgen wieder vorbei, wenn es Ihnen recht ist, Sie können mich auch jederzeit anrufen.« Er gab dem Mann seine Visitenkarte und beobachtete, wie er die kleinen Buchstaben entzifferte. Wieder freute er sich über die Reaktion und das Interesse des Witwers.
    Nachdem er sich verabschiedet hatte, ging Freyr zu seinem Wagen, und als er die Autoschlüssel aus seiner Jackentasche nahm, fiel sein Blick auf den Kirchturm, den er auf dem Weg durchs Dorf gar nicht bemerkt hatte. Verwundert drehte er sich wieder zum Haus. »Eine Frage noch: Hat Halla die Kirche hier in Flateyri besucht?«, fragte er, als der Mann noch einmal in der Türöffnung erschien.
    »Ja.« Freyr konnte ihm von den Augen ablesen, dass er genau wusste, worauf Freyr hinauswollte. »Sie hat der Gemeinde in Súðavík nicht angehört und dort auch nicht den Gottesdienst besucht.« Mit verbitterter Stimme fügte er hinzu: »Sie hat sich nur entschieden, dort zu sterben, und ich verstehe beides nicht.« Er verstummte und ließ seinen Blick an Freyr vorbei zum Dorf schweifen. »Wie bei den meisten hat ihr Interesse an der Vergangenheit mit der Zeit zugenommen. Sie hat in letzter Zeit wieder Kontakt zu alten Freunden aufgenommen und sich zunehmend für Ahnenforschung interessiert.« Er merkte, dass Freyr aufmerksam wurde, wollte aber offensichtlich nicht, dass seine Worte missverstanden oder falsch interpretiert wurden. »Mir geht es genauso, und ich habe mich nicht umgebracht. Das war alles ganz normal.«
    Auf dem Weg nach Ísafjörður dachte Freyr darüber nach, warum die Frau sich in einer anderen Gemeinde das Leben genommen hatte. Zweifellos wollte sie ihre Freunde und Verwandte damit verschonen, ihre Leiche zu finden, aber dafür hätte sie genauso gut die viel näher liegenden Kirchen in Suðureyri, Þingeyri oder Ísafjörður wählen können. Dafür musste es einen Grund geben. Freyr wusste, dass das wichtig war, aber warum?

7. Kapitel
    Es war kälter geworden, aber Katríns Rücken war dennoch feucht von Schweiß. Das Baumwollshirt klebte an ihrer Haut und schmiegte sich auf widerwärtige Weise an ihre Bewegungen an. Die beißende Kälte war im Gesicht besonders unangenehm, während der Rest ihres Körpers glühend heiß war. Hitze oder Kälte konnte man aushalten, aber beides gleichzeitig war unerträglich. Katrín streckte sich, stützte die Hände in die Hüften und begutachtete das, was sie in der letzten Stunde geschafft hatte. Sie war vor dem furchtbaren Farbgestank nach draußen an die frische Luft geflohen, nur eine Haaresbreite von dröhnenden Kopfschmerzen entfernt. Dort hatte sie die Arbeit an der Terrasse wiederaufgenommen, mit der sie sich nicht wirklich rühmen konnte – sie sah eher noch schlimmer aus als gestern. Überall lagen Bretter herum, und der Rand des Teils der Terrasse, den Garðar nicht erneuern wollte, war ungleichmäßig. An einer Stelle hatte Katrín ein langes Brett durchgebrochen und ein Loch in den unversehrten Teil der Terrasse geschlagen. Garðar würde bestimmt hoch erfreut sein, wenn er wieder auftauchte, während Líf wahrscheinlich die komische Seite des Ganzen sehen würde. Sie hatte ihre heutigen Bemühungen immer wieder belächelt, vor allem ihre eigene Ungeschicklichkeit. Die Terrasse war nämlich nicht das einzige Beispiel einer missglückten Reparatur. Überall im Haus gab es halbfertige Arbeit, Reparaturen, die sie angegangen waren, aber schnell wieder auf Eis gelegt hatten. Keiner sprach darüber, wann diese Problemfälle fertiggestellt werden sollten. Líf interessierte sich immer nur für das, was sie gerade machte, und Katrín und Garðar verloren kein Wort über ihre Arbeitsmethoden. Es war in der Tat nicht das erste Mal, dass sie Probleme totschwiegen. Natürlich wussten sie, dass das nicht funktionierte, es sogar nur noch schlimmer machte. Wahrscheinlich würden sie kurz vor der Abfahrt in Panik ausbrechen und hektisch versuchen, die Dinge auf dilettantische Weise fertigzukriegen.
    Katrín hätte am liebsten laut gestöhnt, nahm sich aber zurück, um die unglaubliche Stille nicht zu durchbrechen, an die sie sich langsam gewöhnte. Stattdessen ließ sie die Arme sinken und atmete geräuschlos aus. Es würde schon irgendwie gehen. Die Terrasse breitete sich unter ihren Füßen aus und starrte in den Himmel, so als wundere sie sich darüber, dass ihr Friede vorbei war, nachdem

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