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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Eyrarfjall ins Meer ragte.
    Gewaltige Lawinenschutzwälle zogen sich den Berg hinauf und erinnerten schweigend an die Katastrophe, bei der die Häuser und ihre schlafenden Bewohner vor fünfzehn Jahren von einer Lawine mitgerissen worden waren. An den Hängen lag ungewöhnlich wenig Schnee, so dass die dunklen Schutzwälle unter der dünnen Schneedecke gut zu sehen waren. Freyrs Augen wanderten daran entlang nach oben. Vielleicht hatte die Verstorbene, Halla, bei dem Lawinenunglück ein Kind oder Enkelkind verloren und sich nie davon erholt. Viele verkrafteten einen solchen Schock nicht, es war furchtbar erdrückend, ständig an den Verlust erinnert zu werden. Das wusste er selbst am allerbesten.
    Aber diese Vermutung sollte sich als falsch herausstellen. Freyr fuhr mit Hilfe des GPS schnurstracks zum Haus des trauernden Witwers. Er parkte den Wagen, löste langsam den Sicherheitsgurt und betrachtete unauffällig das Haus und den Garten. Ein unscheinbares, einstöckiges Steinhaus, wesentlich kleiner als die Paläste in den neuen Stadtteilen in Reykjavík. Das Haus war in einem guten Zustand, saubere Gardinen vor den Fenstern und hübsche Blumen in den Vasen. Den Sträuchern, die nur noch aus nackten Zweigen bestanden, konnte man ansehen, dass sie im Herbst beschnitten worden waren. Mit anderen Worten: nichts, das auf eine schwer depressive Hausfrau hinwies. Natürlich war es denkbar, dass ihr Mann sich um das Haus und den Garten gekümmert hatte, in der Hoffnung, dass sich der Zustand seiner Frau bessern würde, wenn nach außen hin alles gut aussah, dass Struktur und Ordnung auf sie abfärben würden.
    Während Freyr an der Haustür wartete, musterte er das kupferne Schild mit den Namen der Eheleute: Halla und Bjarni. Darunter standen die Namen ihrer Kinder, Unnsteinn, Lárus und Petra, die längst von zu Hause ausgezogen waren, auch wenn ihre Namen noch auf dem Schild standen. Das war nicht die einzige Dekoration am Eingang – rechts und links neben der Tür hingen Kreuze, die wesentlich neuer aussahen als das Namensschild unter der Klingel. Ein drittes Kreuz war an der Haustür selbst befestigt. Die religiösen Symbole passten zu dem Ort, an dem die Frau ihrem Leben ein Ende gesetzt hatte, wobei es keineswegs christlicher Überzeugung entsprach, Gott auf diese Weise ins Handwerk zu pfuschen. Freyr war selbst nicht gläubig und hoffte, dass der Witwer ihn damit verschonte.
    Draußen war es so windstill und ruhig, dass Freyr von drinnen Schritte hörte. Langsam und geräuschlos ging die Tür auf. Dem Mann, der in der Türöffnung erschien, hingen die Kleider lose am Körper, so als hätte er sie aus alter Gewohnheit angezogen und sich nicht darum gekümmert, ob sie richtig passten. Sein weißes, dünnes Haar war wirr und schon länger nicht mehr gekämmt worden, seine Augen waren geschwollen.
    »Sind Sie der Arzt?« Seine Stimme war heiser, so als hätte er an diesem Tag zum ersten Mal gesprochen.
    Freyr bejahte und reichte ihm die Hand. Der alte Mann blickte sie erst irritiert an und begriff dann. Sein Handschlag war kraftlos, und er bat Freyr murmelnd hinein, er könne seine Schuhe ruhig anlassen.
    Im Flur starrte Jesus Christus mit einer Dornenkrone auf dem Kopf wehmütig gen Himmel. Dafür, dass das Bild ein Nachdruck war, hatte es einen prachtvollen Rahmen, und Freyr vermutete, dass beides ziemlich neu war. Als er Bjarni ins Haus folgte, sah er eine wuchtige Kerze mit einem goldenen Kreuz und einer Aufschrift aus der Bibel, einen geschnitzten Holzteller, auf dem Gott gepriesen wurde, und mehrere Kreuze, die denen am Eingang ähnelten. Bis auf das Jesusbild schienen die Gegenstände rein zufällig angeordnet zu sein. Vielleicht waren die Eheleute bei einem Ausverkauf in der Gemeindekirche gewesen und in Schwierigkeiten geraten, alle Gegenstände unterzubringen. Ansonsten sah das Haus völlig normal aus, außer dass unter dem Briefschlitz ein kleiner Stapel Zeitungen und Post lag.
    »Sind Sie gläubig?«, fragte Freyr und setzte sich aufs Sofa gegenüber dem Hausherrn, der auf einem abgenutzten Sessel Platz genommen hatte.
    Der Mann starrte abwesend auf den Couchtisch und antwortete dann: »Ja. Nein. Im Moment eher nicht.« Seine Stimme war völlig emotionslos. Freyr kannte diesen hohlen Ton gut aus seiner Arbeit. Er wusste nicht mehr, wie viele Hände er schon gesehen hatte, die so aneinandergerieben wurden, wie der verzweifelte Witwer es gerade tat.
    »Und Halla? War sie gläubig?«
    »Nein. Ja. Anders als

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