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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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ich. Früher nicht, aber später schon.«
    »Ich frage nur, weil das Haus Anlass zu der Vermutung gibt, dass hier Christen wohnen. Das sieht man heutzutage nicht mehr allzu oft.« Freyr wollte wissen, ob die Verstorbene fanatisch gläubig gewesen war, was in Einzelfällen ein Anzeichen für unterdrückte seelische Probleme sein konnte. Psychische Krankheiten machten sich immer durch Veränderungen in der Einstellung, im Verhalten oder in der Stimmung bemerkbar, oder in einer Mischung aus allem. Freyr war sich ziemlich sicher, dass etwas davon auf die Verstorbene zutraf. Er musste nur rausfinden, was.
    »Halla hat vor einiger Zeit angefangen, sich wieder für Religion zu interessieren. Ich habe das nicht sonderlich ernst genommen, aber es hat mich auch nicht gestört. Sie hat sich ja nicht groß verändert, hat nur die Bibel anstelle von Krimis gelesen.«
    »Dieses neu erwachte Interesse am Glauben scheint mir recht stark gewesen zu sein.« Freyr ließ seinen Blick über die christlichen Devotionalien wandern. »Wann hat es denn angefangen?«
    Der Mann schaute in die Luft, als hinge dort ein Kalender. »Vor drei, vier Jahren. Ich weiß nicht mehr genau.«
    »Soweit ich weiß, hatte Ihre Frau keine Alkoholprobleme und keine körperlichen Krankheiten, stimmt das?« Der alte Mann nickte nachdrücklich.
    »Gab es etwas in Ihrer Beziehung oder in Ihrer momentanen Situation, das ihr die Lebenslust genommen haben könnte?«
    »Nein, wir waren zufrieden. Glücklich sogar. Glaube ich zumindest.« Der Mann stockte. »Wir hatten keine finanziellen Probleme, waren nie reich, aber auch nicht besonders arm. Daran ändert sich ja jetzt auch nichts, nur dass sich die Ausgaben um die Hälfte verringern.«
    Dieser kleine Satz ließ erkennen, dass der Mann sich zwar in einem emotionalen Minengebiet befand, im hintersten Winkel seines Kopfes aber bereits eine Umgebungskarte angefertigt hatte, mit der es ihm aller Wahrscheinlichkeit nach gelingen würde, unversehrt durchzukommen. Er war in der Lage, seine Situation objektiv zu betrachten, und auch wenn sein schwarzer Humor nicht besonders witzig war, zeigte er, dass er Licht am Ende des Tunnels sah.
    »Ich bin hier, um Ihnen zu helfen, das wissen Sie ja. Sie machen jetzt einiges durch und können Ihre Fragen mit mir teilen, wenn Sie wollen. Ich kann auch reden, wenn Ihnen das angenehmer ist.«
    Der Mann schnaubte. »Ich will nur wissen, warum sie das gemacht hat. Das können Sie mir wohl kaum beantworten, oder?«
    »Nein, vielleicht nicht, aber ich vermute, dass sie krank war. Seelische Krankheiten können dazu führen, dass der Mensch unerträgliche Qualen erleidet und keinen anderen Ausweg mehr weiß. Dafür kann man niemanden verantwortlich machen, es gibt nichts, was Sie hätten tun können. Das muss Ihnen klar sein.«
    Der Mann schaute Freyr zweifelnd an. »Halla hatte keine unerträglichen Qualen. Das hätte ich gemerkt.«
    »Vielleicht hat der Glaube ihre Probleme gelindert, oder sie hat sie aus Rücksichtnahme vor Ihnen versteckt.«
    Der Mann schüttelte den Kopf, schien sich aber nicht mehr so sicher zu sein. »Ich habe fast ununterbrochen hier gesessen, seit es passiert ist, und versucht, mich an irgendwas in ihrem Verhalten zu erinnern, das ich hätte bemerken müssen. Etwas, das dazu geführt haben würde, dass ich es hätte verhindern können. Aber mir fällt nichts ein.«
    Freyr wollte nicht über die Erscheinungsformen von Selbstmordgedanken dozieren. Ein deutliches Risikomerkmal wäre gewesen, wenn sie es schon mal versucht hätte, aber das war hier offenbar nicht der Fall. Außerdem war es nicht gut für den Mann, Schuldgefühle zu entwickeln. Stattdessen lenkte Freyr das Gespräch darauf, was Bjarni am besten tun konnte, um den Verlust seiner Frau zu verarbeiten. Der Mann hörte zu und pflichtete ihm bei, stellte sogar ein paar Fragen, was ein gutes Zeichen war. Freyr war froh zu hören, dass ihre einzige Tochter, Petra, noch in Ísafjörður wohnte, während die Söhne schon vor langer Zeit nach Reykjavík gezogen waren. Wenigstens stand der Mann nicht alleine da, und Freyr ermunterte ihn, sich so oft wie möglich mit seiner Tochter zu treffen, zu ihr zum Essen zu gehen und bei ihr und ihrer Familie Unterstützung zu suchen. Auf Nachfrage sagte Bjarni, er habe nicht vor, denselben Weg wie seine Frau einzuschlagen, was auch ein gutes Zeichen war, obwohl es natürlich keine Garantie darstellte. Freyr war recht zufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs und merkte, dass er

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