Geisterfjord. Island-Thriller
liebsten ins Feuer geworfen, und die restlichen Bodenbretter und Leisten gleich mit. »Wir kriegen noch nicht mal alles fertig, womit wir schon angefangen haben, geschweige denn irgendwelche neuen Baustellen.«
Garðar starrte wie hypnotisiert nach unten und antwortete nicht sofort. »Irgendwas an diesem blöden Boden sagt mir, dass wir ihn reparieren müssen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich das im ganzen Haus ausbreitet, wenn nichts daran gemacht wird.«
»Der Fleck ist aber nicht größer geworden. Warum sollte er sich weiter ausbreiten?« Katrín betrachtete die Stelle und versuchte einzuschätzen, ob sie wirklich recht hatte. Der Fleck sah genauso aus wie vorher, auch wenn sie sich die Konturen nicht genau gemerkt hatte. »Der ist ungewöhnlich viereckig.« Die Umrisse und die Ecken des Flecks kamen ihr unnatürlich gerade vor. »Könnte da was drunter sein?«
»Was denn?« Garðar wusste genauso wenig über Schimmel und Feuchtigkeit wie Katrín. »Das müsste man ja feststellen können, wenn man ein paar Dielen rausreißt.«
Líf stand jetzt zwischen ihnen und starrte auf den Fleck. Sie hatte bisher noch nichts gesagt und schien sich nur begrenzt für das Thema zu interessieren. »Wenn wir noch spazieren gehen wollen, sollten wir uns beeilen. Lasst uns das Wasser warm machen, damit du dir die Haare waschen kannst, Garðar, und dann gehen wir los. Sonst werden wir unterwegs von der Dunkelheit überrascht.« Garðar schaute sie an und wollte etwas sagen, aber Líf fiel ihm ins Wort. »Du hast es versprochen, Garðar. Wir gehen zur Walfangstation.«
Anstatt Líf zuzustimmen oder zu widersprechen, warf Garðar Katrín einen kurzen Blick zu, machte auf dem Absatz kehrt und ging raus, um den Topf zu holen, den er in der Eile stehen lassen hatte. Trotz der Wärme des Ofens spürte Katrín, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief; irgendetwas sagte ihr, dass Garðar auch eine schlimme Vorahnung hatte. Sie konnte nur nicht sagen, welche.
20. Kapitel
Freyr schlief ein, bevor die Maschine startete, und wachte erst wieder auf, als eine verlegene Stewardess ihn in dem leeren Flugzeug leicht an der Schulter rüttelte. Er hatte in der Nacht nicht viel geschlafen. Seine Phantasie und die Erschöpfung hatten ihm ein Schnippchen geschlagen, so dass er alle möglichen Geräusche im Haus gehört und das Gefühl gehabt hatte, dass jemand durch den Keller irrte. Er hatte es nicht über sich gebracht aufzustehen, sich anzuziehen und nachzuschauen, nicht wegen der Kälte, sondern wegen des Anblicks seines Sohnes im Krankenhausflur. Freyr hatte die böse Ahnung, dass ihn im Keller etwas Ähnliches erwartete. Als er aufstand und in den Spiegel schaute, sah er dunkle Ringe unter seinen Augen, und obwohl die kalte Dusche ihn ein bisschen aufweckte, sah er schlimmer aus, als ihm lieb war. Eigentlich hatte er mit der Idee geliebäugelt, seine alten Kollegen im Landeskrankenhaus zu besuchen oder gar bei Sara vorbeizuschauen. Nach dem Treffen mit dem Rechtsmediziner hatte er noch genug Zeit bis zur Nachmittagsmaschine, selbst wenn er Lárus Helgason, den einzigen noch lebenden Schulfreund von Halla und Védís, treffen wollte. Aber jetzt wusste er gar nicht mehr, wie er den Tag durchstehen sollte, und bekam Panik bei dem Gedanken, seine früheren Kollegen könnten aus seinem ungepflegten Äußeren schließen, dass er kurz davor war, die Kontrolle über sein Leben zu verlieren. Wut, Paranoia, üble Nachrede – damit konnte er umgehen, aber Mitleid ertrug er nicht. Er konnte einfach nicht darauf reagieren, und alles, was er tat oder sagte, machte es nur noch schlimmer. Nein, er würde sich die Kollegen sparen und es bei einem Besuch bei Sara belassen.
»Das Merkwürdige ist, dass ich dieselben Markierungen schon mal bei einer anderen Person gesehen habe. Ich habe ein bisschen recherchiert und rausgefunden, dass es sogar mehrere Leichen mit genau denselben Schnitten auf dem Rücken gibt«, sagte der Rechtsmediziner durch einen weißen Mundschutz. Sein Gesicht war wegen der klobigen Sicherheitsbrille und dem Mundschutz kaum zu sehen. Freyr hätte den Mann auf der Straße wahrscheinlich nicht wiedererkannt, denn er konnte sich noch nicht mal an seiner Haarfarbe orientieren – er hatte ihn mit einer grünen Operationsmütze auf dem Kopf begrüßt, nur den Mundschutz vom Kinn gezogen und die Brille auf die Nasenspitze geschoben. »Schon seltsam, dass das nicht in ihre Krankenakte aufgenommen wurde, die Verletzungen müssen vor
Weitere Kostenlose Bücher