Geisterfjord. Island-Thriller
schmutzige Haare hatten. Sie hatten sich an den vergangenen Tagen nicht großartig um ihre Körperhygiene gekümmert.
Líf schien Katrín am Gesicht abzulesen, wie sie sich fühlte. Sie kratzte sich am Scheitel, was ihre Haare noch mehr zerzauste und sie noch geräderter aussehen ließ.
»O Mann, freue ich mich auf zu Hause und eine Dusche«, sagte sie. Der Traum von einem Spa schien in weite Ferne gerückt zu sein. »Können wir nicht Wasser heiß machen und den gröbsten Dreck abwaschen? Mir wird schlecht, wenn ich an meinen Haaren rieche.« Líf klopfte sich warm. »Ich will nicht, dass man mich mit ungewaschenen Haaren findet, wenn wir hier krepieren.«
Garðar schnaubte, ging aber nicht auf ihre Bemerkung ein. »Wenn ihr mit zum Haus kommt, kann ich Wasser heiß machen, kein Problem.« Er zog die Hose über seine lange, wollene Unterhose, die er sich extra für die Reise gekauft hatte. »Das Essen ist noch drüben, wir müssen sowieso rübergehen, wenn wir nicht verhungern wollen. Dann können wir auch gleich ein bisschen mit der Renovierung weitermachen. Es ist besser, was zu tun, als hier die ganze Zeit rumzuhängen und sich Sorgen zu machen. Ich garantiere euch, dass die Zeit dann viel schneller vergeht. Und wir wissen jetzt, dass der Junge hier genauso hinkommen kann wie zu unserem Haus.«
Katrín bückte sich nach dem Wollpulli, den sie ausgezogen hatte, bevor sie in ihren Schlafsack gekrochen war, aber jetzt schmerzlich vermisste. Der Pulli fühlte sich eiskalt an. »Sollen wir etwa streichen? Das muss ja wohl nicht sein«, sagte sie, und Putti schaute sie an, als stimme er ihr zu. Er wollte bestimmt nicht raus in den Schnee und hätte gerne weiter an ihren Füßen auf der Isomatte gelegen.
Líf stand immer noch mitten im Raum und zitterte. »Ich will lieber ein Stück in den Fjord gehen.« Endlich begann sie, ihre Klamotten zusammenzusuchen. »Vielleicht finden wir ja ein Boot, mit dem wir nach Ísafjörður fahren können. Wir müssen ja nur so weit gehen, bis wir den Fjord überblicken können. Erinnert ihr euch an den großen Schornstein und die Ruinen der Walfangstation oder Fabrik oder was auch immer, die wir vom Schiff aus gesehen haben? Sollen wir nicht dahingehen?«
»Du kannst also mit einem Boot umgehen?«, fragte Garðar ironisch und war beleidigt, dass die Frauen seinem Vorschlag nicht zustimmten. Katrín fand das ziemlich blöd – er hatte ja wohl nicht ernsthaft damit gerechnet, dass sie erfreut aufspringen würden. »Also, ich würde mir das nicht zutrauen.« Seine Stimme war vor Entrüstung fast schrill.
»Wenn es da ein Boot gibt, dann ist bestimmt ein Funkgerät oder ein Telefon drin«, entgegnete Líf trotzig.
Zum ersten Mal hatte Katrín das Bedürfnis zu schlichten. »Okay, ich schlage vor, dass wir zum Haus gehen, was essen, uns die Haare waschen, ein bisschen arbeiten und, wenn es richtig hell ist, einen Spaziergang machen.« Sie hatte keine Ahnung, ob es draußen stockdunkel oder strahlend hell war. Sie wusste auch nicht, ob sie überhaupt so weit laufen konnte, allerdings hatten die Schmerzen etwas nachgelassen. »Das hängt natürlich vom Wetter ab, aber es scheint immerhin windstill zu sein.« Der Wind pfiff nicht, und draußen war es genauso still wie drinnen. »Ist doch ein super Plan, oder?« Sie drehte sich zu Líf, die mit den Schultern zuckte, und zu Garðar, der ihr tief in die Augen schaute und besorgt wirkte. Katrín wusste nicht, warum – vielleicht, weil ihm gerade klar wurde, dass die ganze Geschichte nur übel enden konnte. Selbst wenn sie zurück nach Hause kämen, würden der Stress und die Finanzprobleme noch schlimmer werden. Ein Gästehaus in einem verlassenen Dorf, ob es nun verfallen oder frisch renoviert war, würde daran nichts ändern. Katrín lächelte ihn liebevoll an, aber er wich ihrem Blick aus. Líf war hingegen begeistert über den Vorschlag, weil sie am Ende doch am Fjord entlangwandern würden. Um ein Boot zu suchen, das es nicht gab.
Das Wasser war viel zu heiß, oder wirkte das nur so, weil sie draußen in der Kälte auf der Terrasse standen? Katrín spürte, wie sich ihre Kopfhaut zusammenzog, als Garðar ihr aus dem Aluminiumtopf Wasser über den Kopf schüttete. Sie schaute auf das kaputte Holz und die schwarze Erde in dem klaffenden Loch, das sie noch reparieren mussten. Seltsam, dass kein Schnee darin lag. Alles andere war verschneit. Vielleicht war die schwarze Erde wärmer als die Umgebung und hatte den Schnee sofort
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