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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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anderes Geräusch. Es war ein leises Gluckern, das fast wie fernes Gelächter klang.
    »Was für ein Geräusch ist das?«
    Lex blieb stehen. »Willst du schwatzen, oder willst du nach Hause?«
    »Nach Hause. Aber ... Warte mal.« Ihre Finger schlossen sich um die harten Muskeln seines linken Arms. »Ist das normal hier unten?«
    »Ich höre nichts.«
    »Dieses Gluckern. Als würde da jemand reden.«
    Es wurde lauter, so als käme derjenige näher. Chess bekam eine Gänsehaut.
    »Tut mir leid. Ich höre immer noch nichts.« Er wandte sich ab und ging ein paar Schritte weiter. Die nächste Lampe auf ihrem Weg war defekt, sodass es in diesem Tunnelabschnitt stockdunkel war.
    »Verdammt noch mal, bleib doch mal stehen! Hör doch mal! Wie kannst du denn das nicht hören?«
    Er blieb stehen, trat von einem Fuß auf den anderen und blickte in dem schummrigen Tunnel hin und her.
    »Und?«
    »Du hast gesagt, ich soll stehen bleiben. Also bleibe ich stehen.«
    »Aber hörst du denn nichts?«
    »Ich höre dich.«
    »Nein, das -«
    Ein Röcheln unterbrach sie, das schaurige Geräusch toter Stimmbänder, die versuchten, wieder zum Leben zu erwachen.
    Chess schlug das Herz bis zum Hals. Sie drehte den Kopf, und da sah sie den Geist, der sie anstarrte.

9
    »Nachdem die Sonne untergegangen war,
    herrschte vollkommene Dunkelheit,
    und die Toten erhoben sich mit grimmigem
    Hunger aus ihren Gräbern.«
    Das Buch der Wahrheit, »Ursprünge«, Artikel 2
    Erst sah sie nur die Augen: tiefschwarze Löcher in einem bleichen, hageren Gesicht. Dann kamen weitere Einzelheiten zum Vorschein - während sie dort wie erstarrt stand und bloß denken konnte, dass die Tasche mit ihrer Ausrüstung zu Hause stand. Sie hatte weder Salz noch Knochen bei sich, weder Kräuter noch Ektoplasmarker, nichts, um sich zu schützen oder einen Psychopomp herbeizurufen.
    Und je tiefer man unter die Erde kam, desto mächtiger wurden die Geister.
    Dieser hier trug eine Schirmmütze auf dem Kopf, eine sepiafarbene, die zu seinen Lebzeiten vielleicht mal braun gewesen war. Sie passte zu seiner Jacke und der Hose, soweit sie zu sehen war, denn seine Beine verloren sich im Nichts.
    Lex stand reglos neben ihr. Er schien kaum zu atmen.
    »Du hast doch gesagt, die Wände wären mit Eisenbändern armiert«, murmelte sie.
    »Das war gelogen.«
    Großartig. Chess drehte sich zu dem Geist um, streckte dabei die Handflächen aus und hob die Hände in der Hoffnung, er würde das als Geste der Harmlosigkeit deuten.
    »Wir sind nur zufällig hier vorbeigekommen«, sagte sie vorsichtig. »Und wir wollen wirklich nicht stören.«
    Doch es funktionierte nicht. Der Geist wich zurück und zog eine wütende Grimasse wie ein angriffsbereiter Löwe. Chess fuhr herum und packte Lex beim Arm.
    »Raus hier! Sofort raus!«
    Sie liefen los, in die Dunkelheit. Hinter ihnen spürte Chess den Geist. Die Eiseskälte seines Geisterleibs kam näher. Sie konnten ihm nicht entkommen, es war unmöglich. Geister kannten keine Erschöpfung, und sie gaben niemals auf.
    Die nächste Deckenlampe vor ihnen leuchtete blendend hell auf und zerplatzte dann in einem Glassplitterhagel. Chess duckte sich und hielt sich den unteren Teil ihres T-Shirts vors Gesicht.
    Der Boden war rutschig. Sie rannte mit langen, unbeholfenen Schritten und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Lex’ Finger gruben sich in ihre Haut. Er hielt sie gepackt und zerrte sie mit sich wie ein widerspenstiges Kleinkind.
    Dann stürzte sie trotzdem. Ob sie von selbst ausgerutscht war oder ob der Geist mit irgendetwas nach ihr geschlagen hatte, wusste sie nicht. Überirdisch konnten die Geister Menschen nur mithilfe irgendwelcher Waffen angreifen. Unterirdisch aber galten ganz andere Regeln.
    Schmutzwasser drang ihr in die Nase und brannte ihr in den Augen. Sie würgte und wollte sich wieder aufrichten, aber irgendetwas drückte ihr den Kopf nach unten.
    Sie bohrte die Finger in den Schlamm, auf der Suche nach etwas, das ihr helfen könnte. Er drang durch ihren Verband bis an die Wunde. Dann ließ ein donnernder Schuss den Boden erbeben.
    Sie dachte, ihr wären die Trommelfelle geplatzt. Der Krach hallte endlos in der engen Tunnelröhre wider, während sie sich gegen die Last auf ihrem Rücken stemmte.
    Sie nahm alle Kraft zusammen, die ihr noch verblieben war, und schaffte es, sich seitwärts zu drehen und das Gesicht aus dem stinkenden Schlamm zu heben. Endlich kriegte sie wieder Luft. Im schummrigen Restlicht sah sie, wie Lex mit dem

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