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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Rücken an der Wand stand und erneut zielte.
    »Nein! Nicht schießen!« Es sollte ein Schrei werden, kam aber über ein Krächzen nicht hinaus.
    Der Geist hob die Arme, und etwas Metallisches glänzte über ihrem Kopf. Er hielt ein Rohrende voller Drähte in der Hand, das er von der Decke gerissen hatte, und bog es nach unten. Die Drähte sprühten Funken. Wenn er sie damit berührte, wäre sie tot.
    Jetzt schien alles in Zeitlupe zu geschehen. Das Rohrende kam näher. Chess ertastete eine Mauerfuge und griff mit aller Kraft hinein, um sich unter den Beinen des Geists hervorzuziehen.
    Lex riss ein Bein hoch, erwischte mit seinem schweren Arbeitsstiefel das Rohrende und klemmte es zwischen Mauer und Gummisohle ein. Der Geist drehte sich mit wütender Grimasse zu ihm um.
    Chess kroch beiseite, während Lex zurückwich. Der Geist bog das Rohrende weiter herum und zielte nun damit auf ihn. Lex entging dem Schlag. Das Metall knallte scheppernd an die Wand.
    »Reiß das Rohr ab!«, rief sie und hoffte, Lex würde verstehen. Darauf wandte sich der Geist wieder ihr zu.
    Und Lex verstand. Im Augenwinkel sah sie, wie er hochsprang und sich mit der Armbeuge an das Rohr hängte, wo es noch unter der Decke befestigt war. Dabei nutzte er seine Lederjacke zur Isolierung. Einen Moment lang hing er so in der Luft, dann brach die Rohrhalterung mit lautem Knacken, und alles wurde in Dunkelheit gehüllt.
    »Schnell! Raus aus dem Wasser!«, keuchte er. Sie setzte die Füße auf die äußersten Ränder des Bodens.
    Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, dauerte aber nur eine Sekunde, dass sie in dieser Haltung verharrte, schlotternd und von oben bis unten mit Schlamm bedeckt, während sie Lex in der Dunkelheit schwer atmen hörte.
    Dann blitzte Licht im Tunnel auf, als die Strom führenden Drähte den feuchten Schlamm am Boden berührten.
    Wie auf einem Foto-Negativ sah sie Lex’ große, schlanke Gestalt grellweiß umrissen und sah den Geist zusammenschrumpfen und verschwinden. Sie kniff die Augen zu, so fest sie konnte, und sah es trotzdem, während eine Spannung von etlichen Tausend Volt durch den Tunnel donnerte.
    Noch eine letzte Explosion, irgendwo in der Ferne, und dann war es vorbei. Dass sie weinte, bemerkte sie erst, als sie Salz auf ihren Lippen schmeckte.
    »Alles in Ordnung mit dir, Tülpi?«
    Er hätte überall sein können, direkt neben ihr oder fünf Meter entfernt. Sie nickte, bis ihr klar wurde, dass auch er sie nicht sehen konnte.
    »Ja, alles in Ordnung.«
    Er strich ihr über den Arm. »Ich wusste ja gar nicht, dass man die Scheißviecher mit Stromschlägen zur Strecke bringen kann.«
    »Kann man auch nicht. Ich meine: So funktioniert das nicht. Das war wahrscheinlich eine Energieüberlastung. Dadurch kriegen sie einen Kurzschluss genau wie die Lampen.« Und dadurch käme Chess für ein paar Monate hinter Gitter, wenn jemand von der Kirche davon Wind kriegte. Die Misshandlung von Geistern war alles andere als ein Kavaliersdelikt - spätestens seit ein Debunker vorsätzlich einen Geisterwolf statt eines Hundes herbeigerufen hatte, der dann den Geist zerfleischte. Die Nachkommen hatten ihn angezeigt und den anschließenden Rechtsstreit gewonnen.
    Es gab ein metallisches Klicken, und im Tunnel leuchtete ein sanftes Licht auf. Lex hielt ein brennendes Feuerzeug in der Hand. »Da vorne wird es heller. Gehn wir?«
    »Ist der Boden wieder sicher?«
    »Ja. Ich schätze, der Transformator ist durchgebrannt.« Er stapfte mit beiden Füßen im Schlamm herum. »Siehst du? Null Volt.«
    Nicht ganz so mutig tippte Chess zuerst mit der Schuhspitze in die Mitte des Gangs. »Also gut. Können wir jetzt hier raus?«
    Lex lachte leise. »Ganz wie du willst, Tülpi. Ganz wie du willst.«
    Eine halbe Stunde unter einem warmen Wasserstrahl in ihrem Badezimmer genügte gerade mal, um den Kloakengestank aus der Nase zu bekommen. Schon komisch: Der Tunnel selbst hatte gar nicht so gestunken, aber dieser Schlamm auf dem Boden ... würg. Ihr brannte die Hand von dem Desinfektionsmittel, in dem sie sie förmlich eingeweicht hatte.
    Wobei ihr die Dusche nicht weiterhalf, war die Frage, was sie als Nächstes tun sollte. Terrible hatte ihr einen Zettel hinterlassen, der zwar nicht sehr eloquent, aber klipp und klar zum Ausdruck brachte, dass er es auf den Tod nicht leiden konnte, versetzt zu werden. Sie konnte es ihm nicht verdenken.
    Ehe sie das Haus verließ, warf sie noch eine Cept ein und machte sich darauf gefasst, angebrüllt zu werden. Terrible

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