Geisterflut
gesundheitsförderlich, in Gesellschaft von Slobags Männern angetroffen zu werden.
Hinter ihr klickte das Schloss. Sie wandte sich um und sah Lex in der Tür stehen.
»Komm. Es gibt Essen.«
Nicht gerade die charmanteste Einladung, aber ihrem Magen war das egal. Hatte sie am Vortag überhaupt irgendetwas zu sich genommen? Wahrscheinlich nicht, bei all dem Speed. Kein Wunder, dass sie so tief geschlafen hatte.
Sie folgte ihm einen grauen Korridor entlang, und ihre Schritte hallten über den dunklen Dielenboden. Je weiter sie kamen, desto prunkvoller wurden die Türen: rot lackiertes Holz mit Drachen- und Pagodenschnitzereien. Der Kontrast zwischen den Türen und den kahlen grauen Wänden machte Chess neugierig. Was sich wohl dahinter befand?
Der Flur führte schließlich in ein großes, hohes Zimmer. Auf Wandgemälden kämpften goldene Drachen und Tiger, und das Mobiliar war ebenso kunstvoll verziert wie zuvor die Türen. Man kam sich vor wie am Set eines Martial-Arts-Films, aber die Einrichtung war nicht so geschmacklos wie bei Bump, und die Geschlechtsorgane der gemalten Bestien waren dankenswerterweise verdeckt.
Lex wies auf einen langen, glänzenden Holztisch. »Setz dich. Das Essen kommt gleich. Und auch das ist übrigens nicht vergiftet.«
»Wieso machst du das?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich hab Hunger, und da wär’s ja wohl unhöflich, dir nichts anzubieten, oder?«
»Und wieso sagst du nicht, was du zu sagen hast, und isst, wenn ich wieder weg bin?«
»Magst du dich nicht setzen? Ich steh nicht so gern.«
Sie setzte sich. Aus der Nähe sah sie die feine Maserung der Tischplatte. Sie sah wie echtes Holz aus und wie aus einem Stück. Chess konnte sich nicht erinnern, jemals ein so großes Stück Holz gesehen zu haben.
Sie saßen schweigend da, während ein älterer Mann ein Tablett hereintrug und zwei große, weiße Suppenteller aus Porzellan vor ihnen abstellte. Es gab Bettlersuppe, ein Standardgericht in Downside, jedoch in einer exquisiten Variante mit Fleischklößchen, Huhn und allerlei Kräutern. Zwei Sorten Fleisch - das konnte sich Chess nicht leisten. Aber natürlich gab sie ihr Geld auch größtenteils für andere Dinge aus. Die meisten Debunker lebten viel besser als sie.
»Also, dann lass uns doch mal ein bisschen reden, ja?«, sagte Lex, nachdem Chess etwa die Hälfte ihrer Suppe heruntergeschlungen hatte. Sie war doch hungriger, als sie gedacht hatte, und wenn's was gratis gab, langte sie gerne zu.
Sie versteifte sich. »Worüber?«
»Ich glaube, du weißt, worüber.«
»Äh ... nö.«
»Hm.« Er lehnte sich zurück, steckte sich eine Zigarette an, reichte sie ihr und steckte sich noch eine an. »Ich dachte mir, wir reden über Flugplätze, Tülpi. Wie gefällt dir dieses Thema?«
»Ich heiße nicht >Tülpi<.«
»Ich weiß.«
»Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb du mich trotzdem weiter so nennst?«
»Vielleicht interessiere ich mich ja für deine Tattoos. Und vielleicht zeigst du sie mir mal eines Tages.« Er hob eine Augenbraue, während der Rauch um seinen stachligen Kopf zog.
»Vielleicht geht der Großälteste auch eines Tages nackt auf die Straße.«
»Ja, vielleicht macht er das, wer weiß. Oder vielleicht macht Bump eines Tages den Flugplatz in Chester wieder auf. Was meinst du dazu?«
Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette. Es war nicht ihre übliche Marke, aber auch keine schlechte. »Von so was weiß ich nichts.«
»Da bin ich aber anders informiert.«
»Dann bist du falsch informiert.«
»Oder du lügst mich an, Cesaria. Ich versteh bloß nicht, wieso jemand für einen Typ wie Bump lügen sollte. Fällt dir dazu was ein?«
»Ich lüge für niemanden.« Der Filter der Zigarette war hellbraun, mit kleinen goldfarbenen Flecken, die ein wenig funkelten, wenn sie die Zigarette in den Fingern hin- und herdrehte.
»Für mich sieht’s eher so aus, als würdest du ständig lügen. Es sei denn, du erzählst denen von deiner Kirche immer, was du in deiner Freizeit so treibst. Wissen die, dass du bei Bump mit fünfzehn Riesen in der Kreide stehst? Und wissen die auch, wieso?«
Als sie nicht darauf antwortete, fuhr er fort: »Ich weiß, dass du mich jetzt anlügst, und ich weiß, dass du Freitagnacht draußen in Chester warst. Ich weiß sogar, weshalb du lügst, weil du nämlich nicht willst, dass Terrible dich platt macht. Aber du verbirgst ja nichts vor mir, das ich nicht schon weiß, und daher lass ich dir das durchgehn. Ich schlage dir ein
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