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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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denn, du willst, dass ich dich auf der Straße begleite.«
    »Aber das ist ein Tunnel.«
    Sie bekam eine Gänsehaut, wenn sie den engen Durchgang nur ansah. Er war in ein fahles, grünliches Licht getaucht, doch ob es von Lampen oder von phosphoreszierenden Schimmelpilzen ausging, war nicht zu erkennen, und sie wollte es eigentlich auch gar nicht wissen.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass eine Kirchenhexe zu Klaustrophobie neigt.«
    »Tu ich ja auch nicht!« Ihre Stimme quiekste, und sie räusperte sich. »Aber wenn ich unter der Erde bin ... Das ist, ähm, eine Frage des Respekts. Die Stadt der Ewigkeit befindet sich auch unter der Erde.«
    Er nickte. »Ich versteh schon.« Seine warme Hand schloss sich um ihren Oberarm. »Die Mauern sind mit Eisenbändern armiert, also keine Sorge. Gehn wir.«
    Sie ließ sich von ihm durch den engen Durchgang führen und dann eine lange Betontreppe hinab. Je tiefer sie kamen, desto kühler wurde es, und es roch nach Moder, Rauch und noch etwas anderem: aufgekochtem Dream.
    Bald wurde klar, woher dieser Geruch kam. Auf dem feuchten Steinboden lag eine Spritze, und daneben hockte ihr Besitzer mit halb geschlossenen Augen an der Wand. Neben seinem Bein lagen ein Gummikatheter und ein rostiger, verbeulter Löffel.
    Lex stupste die zusammengesunkene Gestalt vorsichtig mit der Stiefelspitze an. »Du sollst doch nicht hier runter, Big Shog. Du weißt doch, dass diese Tunnel nicht zum Fixen da sind.«
    Big Shog murmelte etwas und richtete sich ein wenig auf. Sein Mund hing offen, und in den Mundwinkeln klebte getrockneter Speichel. Chess wandte den Blick ab.
    »Was sind denn das überhaupt für Tunnel?«, fragte sie. »Ich hab noch nie davon gehört.«
    Lex warf Big Shog noch einen Blick zu und ging dann weiter. »Die sind uralt. Noch aus der Zeit vor der Wahrheit. Die Kirche hat sie zusperren lassen. Die wollen nicht, dass hier irgendwelche Leute rumschleichen.«
    »Und wann habt ihr sie wieder aufgemacht?«
    Er überlegte einen Moment lang. Es ging immer tiefer in die Erde, der Gang war leicht abschüssig. Etwa alle zehn Meter flackerte eine funzelige Leuchtstofflampe in einem Drahtgehäuse unter der Decke. Das machte die ganze Sache für Chess noch irrealer. Sie ging doch tatsächlich einen unterirdischen Gang entlang, eine feuchtkalte Betonröhre, in der es nach Schimmel stank und die ihr keinerlei Schutz bot. Es fiel ihr schwer, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass die Wände ringsherum mit Eisen armiert waren. Ihr war, als rückten sie immer näher und als könnten sie sie verschlingen und in einen weiteren Rostfleck verwandeln.
    »Vor drei oder vier Jahren. Das ist echt praktisch. Keiner sieht, wohin du gehst, keiner weiß, wo du bist.«
    »Verlaufen die unter der ganzen Stadt? Überall?«
    »Das ist geheim. Das musst du nicht wissen.«
    Es sei denn, sie wollte herausfinden, wie jemand neulich so schnell vom Flugplatz Chester verschwinden konnte. »War ja nur ʼne Frage. Ich bin halt neugierig. Vielleicht muss ich ja irgendwann mal ungesehen zu dir kommen, um mit dir zu sprechen.«
    »Wenn du mit mir sprechen willst, ruf mich an. Vielleicht willst du mir ja mal ein Geheimnis verraten, dann sag ich dir auch, was ich weiß.« Das Funkeln in seinen Augen hatte nun nichts mehr mit dem Flugplatz zu tun, und unwillkürlich lief ihr ein leichtes Kribbeln der Erregung den Rücken hinauf. Er war genau ihr Typ: gut aussehend, arrogant, vollkommen egozentrisch. Genauso schlecht für sie wie die Cepts. Und genauso reizvoll.
    »Vergiss es.«
    »Wie du meinst, Tülpi.« Er ging weiter, und sie war genötigt mitzugehen. Er war ja vielleicht nicht der Oberbeschützer schlechthin, aber sie lief durch einen Tunnel und war sich nur allzu bewusst, wie tief sie schon gekommen waren.
    Bald darauf teilte sich der Tunnel in drei Schächte, und Lex betrat ohne Zögern den rechten.
    »Woher weißt du, wo's langgeht?«
    Er fing an, vor sich hin zu pfeifen. Na schön.
    Sie bogen noch einmal ab, diesmal nach links. Es war wie in einem Kaninchenbau, bloß unheimlicher. Von der Anspannung tat ihr schon der Nacken weh. »Wann kommen wir denn endlich aus diesem Tunnel raus?«
    »Wenn wir da sind, wo wir hinwollen.«
    »Das ist nicht sehr hilfreich.«
    »Ich bin nicht so der hilfreiche Typ.«
    Sie verdrehte die Augen. Immerhin hatte er aufgehört zu pfeifen.
    Doch vielleicht war das gar nicht so gut. Denn da ihre Schritte auf dem vermoosten und verschlammten Boden nicht mehr hallten, hörte Chess ein

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