Geisterflut
Gefrierschrank enthielt zahlreiche weiße Pappschachteln, die den Etiketten nach Rind- und Hühnerfleischgerichte enthielten. Chess merkte sich das vor. Wenn sie im Haus sonst nichts entdeckte, würde sie hingehen und alle diese Behälter öffnen, um nachzusehen, ob sich außer totem Tier noch etwas anderes darin fand.
Wahrscheinlich aber nicht. Auf dem Fensterbrett standen zahlreiche Kochbücher aufgereiht, die Buchrücken von intensivem Gebrauch zerknickt und nicht mehr zu entziffern. Chess nahm sie einzeln zur Hand, blätterte sie durch und warf beiläufige Blicke auf die Fotos. Kochbuch für den Fleischliebhaber ... Stilvoll kochen ... Familienrezepte ... Die Küche von Bankhead Spa ... Moment mal. Wie bitte?
Bankhead Spa war ein Ort, an dem Filmstars und höchste kirchliche Würdenträger Urlaub machten: unvorstellbar teuer und fade, mit eigenem Fährdienst und hordenweise arschkriecherischem Personal. Jedenfalls kein Ort, an dem man eine Optikerfamilie erwarten würde. Und vor allem kein Ort, den eine solche Familie sich leisten konnte. Andererseits aber genau der Ort, den Mrs. Morton, wie Chess sie einschätzte, sich als Urlaubsziel ersehnte. Für Leute, die auf so was standen, wäre es vermutlich das Nonplusultra.
Der Rücken dieses Kochbuchs war nicht abgenutzt. Ja, es knackte sogar leise, als sie es aufschlug. Es war noch ganz neu. Auch der Kassenzettel lag noch drin. September. Erst vor zwei Monaten gekauft.
Kein Wunder, dass sie noch in dieser Gegend wohnten. Kein Wunder, dass sie Geld brauchten. Leise lächelnd fotografierte Chess den Kassenzettel und das Buch und stellte dann beides zusammen zurück. Es mochte nicht von Bedeutung sein — aber vielleicht ja doch, und jedes kleine Indiz konnte sich als hilfreich erweisen.
Die einzige Stelle, an die sie nicht herankam, war die Rückseite des Kühlschranks, und daher nahm sie ihr Messgerät aus der Tasche und führte das Kabel hinter dem Kühlschrank herum. Als sie den Schalter betätigte, sah sie, dass dahinter kein Stromverbraucher versteckt war. Anschließend versuchte sie es mit dem Teleskopspiegel. Sauber — na ja, so sauber jedenfalls, wie es hinter Kühlschränken gemeinhin war.
Es war Zeitverschwendung, aber dennoch suchte sie weiter und hielt sich dabei an die kirchlicherseits vorgegebene Abfolge, damit sie das im Fall einer späteren Zeugenaussage glaubhaft behaupten konnte. Ganze Küchenschränke voller abgepackter Lebensmittel und zuckerhaltiger Snacks - kein Wunder, dass Albert aussah wie ein kleiner, teigiger Torpedo - und noch mehr Plastikbehälter. Hatte Mrs. Morton diese Dinger früher etwa mal vertickt? Chess fiel ums Verrecken kein Grund ein, weshalb eine dreiköpfige Familie so viel Essen bunkern sollte, dass sie damit ganz Downside ein Jahr lang beköstigen könnte.
Töpfe und Pfannen schepperten leise, als Chess sie beiseite schob, um dahinter zu gucken. Der Backofen war sauber und leer, und die Schubladen quollen förmlich über von den Deckeln der Plastikbehälter.
Ein letzter Zwischenstopp noch: die Waschküche, eigentlich ein kleiner Nebenraum der Garage, wo sich Mrs. Morton angeblich an jenem Tag aufgehalten hatte, als Albert angeblich zum ersten Mal die Geistererscheinung sah. Sauber - wie auch die Garage selbst.
Dann ging sie die Treppe hinauf und lauschte dem regelmäßigen Atem der Mortons. Einer schnarchte allerdings so laut, dass die anderen ohne die Magie der Hand wahrscheinlich davon wach geworden wären.
Ah! Bingo! Albert hatte seine Bücher ausgetauscht. Nun standen dort alle möglichen Werke über Elektrotechnik und Trickfilm. Sie machte etliche Fotos von dem ganzen Regal, nahm dann die Bücher einzeln zur Hand, schüttelte sie aus, in der Hoffnung, dass etwas Interessantes herausfiel, und fotografierte sie.
Anschließend waren seine Schubladen dran. Chess grinste. Albert hatte anscheinend die Baupläne des Hauses studiert. Interessant. Sie schoss weitere Fotos und machte aus reiner Gehässigkeit auch noch ein paar Bilder von seiner recht umfangreichen Pornosammlung. Hatte sie’s doch gewusst!
Albert seufzte und drehte sich im Schlaf um, als Chess sich bückte, um unter dem Bett nachzusehen. Die Kabel, die sie schon am Samstag bemerkt hatte, waren immer noch da, dazu ein alter DVD-Player und ein paar weitere Bücher über Film- und Elektrotechnik, was darauf hindeuten mochte, dass Albert seine Machenschaften tatsächlich vor seinen Eltern geheim gehalten hatte.
Zwischen dem Kopfende des Betts und der
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