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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Schlafzimmer - das ihr bekannt vorkam, auch wenn sie es jahrelang nicht gesehen hatte -, wo schwere Schritte über einen Holzboden hallten und sie sich die Decke über den Kopf zog. Sie war erst zehn Jahre alt, sie wollte ihn nicht hier drin haben, wollte nicht, dass er sie wieder zwang, diese Dinge zu tun ...
    Ein anderes Zimmer, ein anderer Vater, und er riss gerade seine große Faust zurück, um sie ihr mit voller Wucht ins Gesicht...
    Ein weiterer Schlag. Eine schwere, verschwitzte Frauengestalt stieg zu ihr ins Bett. Ihre Kleider waren zerrissen. Jedes einzelne Bild, das Chess je hatte vergessen wollen, tauchte vor ihren Augen auf, und sofort war die ganze Verzweiflung wieder da, der Schmerz und das Elend und die Einsamkeit eines Menschen, der immer nur aus Wollust oder Wut berührt wurde, der immer außen vor war, nirgends und bei niemandem dazugehörte, der sich selbst so sehr hasste, dass es ihm die Kehle zuschnürte. Sie spürte ihren Körper gar nicht mehr, konnte nichts anderes mehr sehen und hörte nur noch die Stimme in ihrem Kopf, die sie unaufhörlich erinnerte, wie vollkommen wertlos sie sei, eben jene Stimme, die sie mithilfe von Drogen und Überstunden zu dämpfen versuchte, die aber nie ganz verstummte und nie verstummen würde, bis sie eines Tages starb und in die stille, kalte, unterirdische Stadt der Ewigkeit einging, einen Ort, den sie immer so schlimm gefunden hatte, dass sie das Leben dem Tod doch ein klein wenig vorzog. Dort gab es keinen Trost für sie und keinen Frieden, nur eine nie endende Abfolge ereignisloser Tage und Nächte ...
    »Nein«, schluchzte sie, und dann hörte es einfach so auf. Sie hatte Schmerzen am ganzen Leib, doch es war vorüber, das Buch war wieder zugeschlagen, und Terrible war schon halb durch den Raum, ehe sie es mitbekam.
    Er packte Tyson beim Hals und schleuderte den kleinen Mann an die Wand. Tyson gab einen erstickten Schrei von sich, der genauso gut ein leises Lachen sein konnte, und seine Augen färbten sich grau.
    »Ich werde ihn zu Brei schlagen, Chess«, stöhnte Terrible mit stockender Stimme. Er ballte die Rechte, seine Armmuskeln traten hervor, während er am ganzen Leib zitterte. »Ich werde ihn ... du ... du verdammter ...«
    »Du hast eben Dinge gesehen, die du nie wieder sehen wolltest.« Tyson lächelte zähnebleckend. »Böse Erinnerungen, Beschützer? War es das wert?«
    »Chess ...«
    »Nein! Tu’s nicht, Terrible! Warte!« Hastig stand sie auf, stieß gegen den Tisch, der ihrer Hose einen Blutfleck verpasste, und rannte zu ihm. »Warte! Wer hat das noch gesehen, Tyson? Wer war schon hier? Wer hat das Amulett gemacht?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Doch, du weißt es. Deshalb warst du so erfreut, als du es gesehen hast, nicht wahr? Wer war es? Sag’s mir, oder ich lass dich zusammenschlagen. Er kann dich auch umbringen, wenn er das will, und ich glaube, er will’s.« Kurz drehte sie den Kopf zu Terrible, doch der heftete den Blick auf Tyson mit dem Ingrimm eines hungrigen Wolfs. »Willst du, Terrible?«
    »Ja.«
    »Du kannst mich nicht töten. Ich bin mächtiger, als du ahnst.«
    Terrible knurrte.
    »Weißt du, was ich in meiner Tasche habe, Tyson? Melidia-Kraut. Melidia und meinen Psychopomp. Ich kann dich und was du in dir beherbergst schneller in ein Geistergefängnis befördern, als du auch nur um Gnade winseln kannst, und vorher kann ich dir jeden Knochen einzeln brechen lassen. Jetzt sag es mir, dann gehen wir. Ein faires Angebot.«
    Terrible hielt Tysons Kehle fester gepackt. Tysons Augen traten hervor. »Wie du«, keuchte er. »Ein dunkler Mann, tätowiert wie du ... aahhh ...«
    Er streckte die Arme seitwärts aus und spreizte die Finger, und seine Augen leuchteten nun in reinem Silber. Verdammt.
    »Terrible, lass ihn los!« Sie packte seinen Arm, versuchte ihn von Tyson fortzuziehen. »Lass ihn sofort los!«
    Terrible gehorchte in eben dem Moment, da sich das Wesen in Tyson befreite und wie ein heller, nebelhafter Kotzeschwall aus dem Mund hervorbrach. Es flog über ihre Köpfe hinweg, und Chess duckte sich und zog Terrible mit sich. Sie kollerten übereinander zu Boden, während das Wesen die Gestalt eines menschenähnlichen Gesichts annahm, mit großen, blicklosen Augen und einem Mund, der sich wie an Scharnieren öffnete.
    Es breitete sich unter der Decke aus, wurde größer und größer. Ein langer Finger aus Ektoplasma strich Chess über die Wange und hinterließ eine Spur aus eiskaltem Schleim.
    Terribles Finger schlossen sich

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