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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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war viel zu viel, als dass sie alles erfassen konnte, ehe die Tür aufging und Tyson vor ihnen stand.
    In seinen Augen regte sich was, färbte sie für eine Sekunde rauchgrau, ehe es sich wieder verzog. Doch Chess hatte es gesehen, und ihr stellten sich die Nackenhaare auf. Tyson war kein Mensch, jedenfalls nicht ausschließlich. Ob er von Geburt an so gewesen oder erst durch Umgang mit der Unterwelt dazu geworden war, konnte sie nicht erkennen, und sie hoffte auch, es nie zu erfahren.
    Er strich sich mit einer erstaunlich großen Hand über das kurze, weiße Haar. Chess musste kurz verdauen, dass er längst nicht so alt war, wie sie angenommen hatte. Er mochte zehn oder allerhöchstens zwanzig Jahre älter sein als sie. Seine kleine, gebeugte Gestalt war niedergedrückt, aber nicht vom Alter.
    »Du musst Cesaria sein«, sagte er mit wohlklingender Stimme. »Und du hast einen Begleiter mitgebracht. Oder einen Beschützer?«
    »Einen Freund«, erwiderte sie.
    »Das ist aber ein wirklich großer Freund, nicht wahr?« Tyson musterte Terrible von Kopf bis Fuß, wobei die Andeutung eines Lächelns um seine Lippen spielte, und zuckte dann mit den Achseln. »Immer hereinspaziert! Edsel sagte, du brauchtest Informationen? Wegen irgendwelcher Runen?«
    »Ja.«
    Er verneigte sich, trat einen Schritt zurück und schwenkte den rechten Arm in einer einladenden Geste. »Mit Informationen bin ich gern behilflich.«
    Einen Moment lang machten die Ausmaße des Hauses sie ganz benommen. Hatte er irgendwie die Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt, sodass diese Hütte von innen viel größer war als von außen? Dann fiel ihr auf, dass es nach Steinstaub roch, und sie entdeckte auch den Grund dafür: Mit Ausnahme der Stirnwand aus verwittertem Holz war das Haus aus Stein erbaut. Er hatte eine Höhle in die Klippe getrieben. Chess nahm sich vor, nicht weiter als unbedingt nötig in diesen Raum hineinzugehen. Der Gedanke an die schweren Felsen, auf denen nun auch noch ein anderthalb Tonnen schwerer Oldtimer stand und die nichts hindern konnte, auf sie herabzustürzen ...
    Was sie in dem Zimmer sah, trug auch nicht zu ihrer Beruhigung bei. Regale säumten sämtliche Wände, Regale voller Gläser und Flaschen, mit Knochen und Federn und Fellen darin. Wieso kaufte dieser Mann überhaupt bei Edsel ein, wo er doch nahezu alles, was ein Zauberer nur gebrauchen konnte, hier vorrätig hatte? Schädel von mindestens fünfzehn verschiedenen Tieren an einer Wand und daneben reihenweise andere Körperteile. Hoch aufgestapelte Vorratsgläser voller Kräuter ragten von hinten her in den Raum und umrahmten eine kleinere schwarze Tür, die vermutlich in Tysons Schlafgemach führte.
    Chess wandte sich um und sah Terrible beim Eingang vorsichtig die dort von der Decke hängenden Gegenstände berühren. Es waren an bunten Bändern baumelnde Amulette und Talismane. Er musste sie beiseite schieben, um sie nicht ins Gesicht zu bekommen. Sie sah, mit welchem Widerwillen er das tat, und konnte es ihm nachfühlen.
    »Darf ich euch etwas zu trinken anbieten?«, fragte Tyson. »Oder ein paar Kekse?«
    Es hätte amüsant sein können, Kekse bei einem Mann essen, dessen Augen sich immer wieder grau umwölkten und der in einem veritablen Zauberei-Museum lebte. Doch sein Lächeln war ein wenig zu breit, zu zähnebleckend. Chess fragte sich unwillkürlich, was das wohl für Kekse waren.
    Den Gesetzen der Kirche zufolge durfte es keine an die Welt gebundenen Seelen geben. Der menschliche Wirt konnte ins Gefängnis geworfen werden — in eines dieser speziellen, wo Seelen gemartert wurden und eine Flucht unmöglich war. Chess fragte sich, wieso Tyson keine Angst hatte, dass sie ihn verpfeifen könnte. Die meisten Betroffenen versuchten, ihre Bindung zu verbergen. Er jedoch nicht.
    »Nein danke«, sagte sie und bemerkte, dass sie sowohl von Tyson als auch von Terrible beobachtet wurde. »Können wir bitte gleich zur Sache kommen? Ich bin heute leider ziemlich in Eile.«
    »Selbstverständlich. Die Höflichkeitsformen sind eben nur Form. Da wir sie nunmehr abgehakt haben, können wir zum Geschäftlichen schreiten, in jedwedem Tempo, ganz nach Belieben.«
    »Äh. Prima.« Sie zog das Amulett hervor, das sie in ein Geschirrtuch eingeschlagen hatte. »Ich hatte gehofft, du könntest vielleicht einige dieser Runen entziffern.«
    Tyson hatte Mühe, sich zusammenzureißen. Seine Augen wölkten sich wieder grau, und er drängte krampfhaft das Lächeln aus seinem Gesicht. Chess

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