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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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durchatmen. Die Schlösser ihrer Wohnung konnte man knacken, das Kirchengebäude aber war einbruchsicher.
    Allerdings besaß Slipknots Mörder natürlich auch einen Schlüssel zu diesem Gebäude. Aber er wusste ja nicht, wo sie war. Es war also immer noch der sicherste Ort, der ihr einfiel.
    Dort angelangt, breitete sie ihre Notizen vor sich auf einem Tisch aus und las sie erst noch einmal durch, bevor sie mit der Arbeit begann, erstens, um sicher zu gehen, dass sie nichts außer Acht ließ, und zweitens, um nach Zusammenhängen zu suchen, die ihr bisher vielleicht entgangen waren.
    Weder Ereshdiran noch das Symbol auf dem Gewand der Einbrecher kam in den Standardwerken vor. Sie hatte das auch nicht erwartet, schlug nur für alle Fälle nach.
    Wieso sollte jemand einen Traumdieb herbeibeschwören? Es war natürlich nicht das erste Mal, dass illegale Wesen herbeibeschworen wurden. Als Chess noch in der Ausbildung war, hatte jemand einen Elementargeist beschworen und war damit auf einer Party erschienen, um anzugeben. Von denen, die das Gemetzel überlebten, erntete er wenig Bewunderung.
    Aber einen Traumdieb? Sie überlegte weiter, wo sie das verdammte Symbol schon mal gesehen hatte, konnte sich aber nur sehr verschwommen erinnern. Und außerdem konnte sie sich nicht sicher sein, ob es tatsächlich so aussah wie in ihrer Erinnerung, oder ob sie sich das nur einbildete.
    Mit einem Seufzer schlug sie das letzte Buch zu und sah auf die Uhr. Es war schon fast zehn. Sie musste bald los, wenn sie noch ihre Vorräte auffrischen wollte, und das wollte sie unbedingt. Am liebsten wäre sie sofort zum Pfeifenraum gelaufen, nachdem Terrible sie abgesetzt hatte, aber der Drang, der Sache auf den Grund zu gehen, hatte sie davon abgehalten. Nach dem Erlebnis mit dem Buch ... und den Erinnerungen, die sich ihr wieder frisch ins Hirn gekerbt hatten ...
    Sie gab sich noch eine halbe Stunde. Das war genug Zeit, um sich ein wenig in den Büchern im Sonderarchiv umzusehen.
    Es war natürlich abgeschlossen, aber Chess wusste, wo sich ein Reserveschlüssel befand: Er steckte unter einer Leiste oben in der mittleren Schreibtischschublade. Sie hatte ihn sich noch nie mopsen müssen, aber sie hatte ja auch noch nie derartige Nachforschungen nach Feierabend angestellt - immer war eine der Goodys da gewesen und hatte ihr die Tür aufschließen können. Ein bisschen kriminell kam sie sich ja vor, während sie die Leiste abtastete. Dann fiel der Schlüssel in die Schublade.
    Das Türschloss öffnete sich mit einem vernehmlichen Klicken, das in dem großen, leeren Raum widerhallte. Chess erstarrte. War das eben nur das Schloss gewesen, oder hatte sie noch ein zweites Klicken gehört, das sie für einen Widerhall gehalten hatte?
    Erschrocken fuhr sie herum, schaute hastig über die Regale, über den blitzblanken Holzboden und schließlich die Wände hinauf zu den spinnenhaften Ventilatoren unter der Decke. Immer nach oben gucken, denn: Niemand guckte je nach oben.
    Doch sie entdeckte nichts, und allmählich beruhigte sich ihr speedgetriebener Puls ein wenig. Sie lachte unbehaglich über sich selbst, wie ein Kind, das tapfer erklärt, keine Angst vor der Dunkelheit zu haben, und betätigte den Türknauf.
    Sie hatte das Sonderarchiv immer sehr gemocht. Dort standen die verbotenen Bücher, die esoterischen Werke, die Relikte vergangener Religionen. Reich verzierte Goldkruzifixe und ein diamantenbesetzter Davidstern funkelten im schummrigen Licht in Glasvitrinen an den Wänden und hießen sie in ihrer Mitte willkommen, als hätten sie sie erwartet. Auf Pulten lagen Bibeln und Korane, die keiner mehr brauchte, und in einer Ecke saß ein großer, goldener Buddha und segnete sie mit seinem gütigen Lächeln — wenn so ein Segen denn statthaft gewesen wäre.
    Derlei Gegenstände außerhalb der Kirche zu besitzen, ohne einen Beweis ihrer historischen Bedeutung vorlegen zu können, wurde als Häresie geahndet. Hier jedoch konnte man sie so lange betrachten, wie man nur wollte, konnte die archaischen Texte lesen und sich vorstellen, wie das Leben nur dreißig Jahre zuvor ausgesehen hatte.
    Chess ging über den dicken Teppichboden zur Esoterikabteilung am anderen Ende des Raumes und betätigte dabei den Lichtschalter. Der große Bibliothekssaal im Hintergrund verschwand, als das Licht auf die hohen, schmalen Fenster in der Trennwand fiel. Komisch, dass sie das noch nie bemerkt hatte, aber sie war ja auch noch nie so spät abends hier gewesen.
    Ihre Haut

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