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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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den Wänden und dem Mobiliar.
    Doch sie bemerkte das kaum. Sie konnte den Blick nicht davon lösen, während sich die Seiten unter Terribles Fingern auffächerten, bis das Buch schließlich aufgeschlagen dalag, rein und weiß. Das Blut war fort.
    Doch nur für einen Moment. Dann quoll es wieder hervor, breitete sich in einem roten Strom auf den Seiten aus und bildete dabei Worte und Symbole, die über dem Pergamentpapier zu schweben schienen.
    Terrible ächzte leise, ein Laut des Unbehagens, der ihr gar nicht gefiel. Seine Hand, die auf dem Buch geruht hatte, schien zu schrumpfen, zu verflachen, und da wurde ihr klar, dass seine Hand tatsächlich in das Buch einsank. Das Blut auf den Seiten stammte nun von ihm.
    Er fiel auf die Knie, das Gesicht hochrot, die Augen geschlossen.
    »Terrible? Terrible?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein ... nicht ...«
    »Terrible!« Sie griff nach ihm, wollte seinen Arm fortziehen, doch Tysons Stimme hielt sie zurück.
    »Empfange erst das Wissen«, sagte er. »Schnell, denn sonst tötet das Buch deinen Beschützer, ehe es dir etwas verrät.«

20
    »Als Eltern sind wir oftmals im Unklaren, wie wir unsere
    Kinder anleiten sollen. In solchen Situationen sollten
    wir uns einfach auf die Wahrheit besinnen, dann werden
    wir nicht fehlgehen. Unsere Kinder zu beschützen, ist der
    größte Dienst, den wir der Menschheit und der Wahrheit
    leisten können.«
    Familie und Wahrheit, eine kirchliche Broschüre
    des Ältesten Barrett
    Terrible stöhnte. Es klang so tief und angstvoll, dass es ihr durch und durch ging. Als würde ihr jemand mit Alufolie das Gehirn polieren.
    »Mach, dass das aufhört!«
    Tyson zuckte mit den Achseln. »Seine Zeit läuft ab, während du sprichst.«
    Mist! Mist, Mist, Mist! Wo war ihr Notizblock? Und ihr Stift? Die Worte waren schon fast fertig gebildet, zogen sich über die Seiten wie die Abdrücke blutiger Rabenfüße. In der Mitte begann sich ein Bild zu formen: das Amulett, und die Runen an seinem Rande waberten.
    »Nein ... nich mich ... nich mich ...« Terribles ganzer Körper krampfte sich zusammen, und er zog den Kopf ein. Er schlotterte am ganzen Leib, sank zu Boden, rollte sich ein. Rote Symbole zogen sich seinen Arm hinauf, wirbelten um seinen Ellbogen, glitten über den Nacken und von dort wieder auf die Buchseite zurück.
    Endlich hatte Chess Stift und Block parat. Sie begann zu schreiben, ließ alles andere außer Acht, beeilte sich nur noch, die Worte aufs Papier zu bringen, um Terribles Qual ein Ende zu machen. Wenn sie es denn vermochte ... Wenn sie nicht ein Menschenleben geopfert hatte, nur um dieses bescheuerte Amulett zu entziffern. Slipknot konnte von ihr aus gern bis in alle Ewigkeiten weiter vor sich hin verwesen, wenn nur das hier bitte ein Ende nahm ...
    Tretso , ja: Das Hinzufügen von Macht. Und die Nächste: Etosh - für die Ausrichtung der Macht. Weiter. Vedak - die Seele gefangen nehmen. Arged - sich durch sie speisen. Wer zum Teufel hatte etwas so Abscheuliches ausgeheckt? Die Schrift floss nun schneller über das Pergament, fast zu schnell, als dass Chess ihr noch folgen konnte.
    »Sehr gut«, hörte sie Tyson leise sagen. »So viel Schmerz ... und so viel Kraft... Das gefällt dem Buch ...«
    »Schnauze!«, stieß sie hervor, doch das wurde von Terribles Gebrüll übertönt. Wie ein schwer verwundeter Tiger klang er, und bei Chess stellten sich sämtliche Haare auf.
    Nun formte sich das letzte Schriftzeichen und wurde pulsierend größer und dicker. Die rote Spur bildete abwechselnd eine Rune und ein Gesicht. Chess’ Herz setzte für einen Schlag aus. Es war das Gesicht des Albtraummannes. Dann erschienen die erklärenden Worte: Ereshdiran lautete sein Name - Traumdieb.
    »Fertig!«, schrie sie. »Ich bin fertig! Alles abgeschrieben! Jetzt mach bitte, dass das aufhört! Bitte!«
    Rote Tinte zog sich über Terribles Gesicht, leuchtete ihm unter der Haut hervor, unter den Tränen, die zwischen den Augenlidern hervorquollen.
    »Nich noch mehr, nich noch mehr, nich ich, bitte, bitte nich.« Immer und immer wieder, eine Litanei, die sie nicht mehr ertrug.
    Terrible riss die Augen auf. Chess schrie. Seine Iris waren rot, leuchtend rot, die Pupillen schwammen als schwarze Stecknadelköpfe darin. Es war in ihm, ach du Scheiße, es war in ihm und fraß ihn von innen auf.
    Tyson lachte leise, als sie ohne nachzudenken nach dem Buch griff, um es wegzureißen.
    Tysons Haus verschwand. Stattdessen befand sie sich mit einem Mal in einem

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