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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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auch als Arzneimittel. Selbst Bump kam da nicht ran. Und Lex sicher genauso wenig.
    Und hier waren gleich zwei davon. Sie war fertig mit der Brieftasche.
    »Tut mir leid, Leute«, murmelte sie und steckte das Tütchen ein. »Aber ich schätze mal, die braucht ihr jetzt nicht mehr.« Dann schlüpfte sie durch die Tür.
    Sie hatte es geschafft. Einen ganzen Moment lang stand sie einfach nur da und atmete tief durch. Da stank es zwar nach Schimmelpilzen und Ammoniak, aber tausendmal frischer als in dem Kabinett des Todes, das sie gerade hinter sich gelassen hatte.
    Nun war sie also in Lex’ Tunnelsystem. Sie kannte sich darin überhaupt nicht aus, aber hin und wieder gab es Ausgänge zur Straße. Und einer davon würde sich schon finden lassen.
    Den Kompass vor sich her tragend, lief sie durch den Gang. Eine Abzweigung nach links. Dann eine nach rechts. Dann hörte sie jemanden atmen.
    Diesmal war es einfach nur der Junkie, dem sie hier schon einmal begegnet war. Wie hieß er noch? Big Shog? Ja, genau. Er hockte zusammengekauert an der Wand, war so aufs Fixen konzentriert, dass er sie erst bemerkte, als sie neben ihm stand.
    »Wie komme ich hier raus?«, fragte sie. Ihre Stimme klang seltsam. »Wo ist die nächste Tür?«
    »Weißnich.« Er zerrte an dem Stauschlauch, den er sich um den Arm geschlungen hatte, und ließ die Spritze los. »Weißichnich, klar? Weißgarnichts.«
    »Sag mir bitte einfach nur, wie ...«
    Er war eingeschlafen. Sein Mund stand offen und entblößte eine zerklüftete Zahnreihe. Doch er war ja auch irgendwie hierher gelangt. Als sie ihm das letzte Mal begegnet war, war es von dort zur nächsten Tür nicht weit gewesen. Irgendwo in der Nähe musste eine sein.
    »Du solltest nicht hier unten sein«, sagte sie, ohne recht zu wissen, weshalb, und ließ ihn dann dort hocken, um weiter nach einem Ausgang zu suchen. Wenn sie nur wüsste, wie er hierher gekommen war!
    »Ey! Nich da lang! Da ...«
    Big Shog war schon wieder weggetreten, doch ehe seine Hand niedersank, sah sie noch, wohin er gezeigt hatte. Großartig! Chess zückte einen Fünfer und stopfte ihm den Geldschein in eine Tasche. »Danke!«
    Die Tür befand sich nur ein paar hundert Meter den Tunnel hinab, am oberen Ende einer Treppe, und Chess öffnete sie mit dem Gestus eines Menschen, der ein neues Leben beginnt. Sie hatte es überlebt. Hoch am Himmel stand der Vollmond, es musste schon nach zehn sein, aber sie hatte es aus der Bibliothek, aus dem Kirchenkomplex, aus dem Tunnelsystem heraus geschafft - und da stand sie nun auf einer düster-schmutzigen Straße, auf der es nach Rauch und Abfall stank, in einem ihr unbekannten Teil der Stadt. Manchmal klappte also doch was.

23
    »Von allen Kirchenmitarbeitern wird erwartet,
    dass sie sich jederzeit angemessen verhalten.
    Ihr repräsentiert alles, was auf der Welt recht und heilig ist.
    Das dürft ihr nie vergessen.«
    Mit gutem Beispiel vorangehen , ein Handbuch für
    Mitarbeiter der Kirche
    Nach zwei Cepts, einer warmen Dusche und einer Valtruin war ihr, als hätte der ganze Tag gar nicht stattgefunden. Ein Dauerlächeln im Gesicht, schlenderte Chess kurz nach Mitternacht in die Trickster’s Bar. Ihr Körper fühlte sich, als lebte er auf einem anderen Planeten, wo nie etwas Schlimmes geschah. Ganz im Gegensatz zu diesem Planeten hier. Und ganz im Gegensatz zu dem, was sie Terrible berichten musste, ehe sie zu Lex aufbrechen konnte, um bei ihm zu übernachten. Lex ... Lex und der Streifen nackter Haut, den sie gesehen hatte, Lex und dieser Kuss ... Sie traute ihm nicht, nein, nicht im Mindesten. Doch das war egal, denn Vertrauen und Sex hatten, zumindest für sie, nichts miteinander zu tun.
    Doch zuvor musste sie Terrible erzählen, was geschehen war. Denn schließlich mussten sie sich auf einen Ort und einen Zeitpunkt für das Ritual einigen, mit dem Chess Slipknots Seele zu befreien hoffte. Außerdem erwartete man von ihr, dass sie ihren Auftraggeber auf dem Laufenden hielt, und Bump war nirgends aufzutreiben. Vor allem aber ... vor allem war sie es Terrible schuldig, ihn schnellstmöglich einzuweihen. Er war für sie in die Bresche gesprungen, obwohl er das gar nicht musste, und hatte an ihrer Stelle das Buch berührt. Er hatte es verdient, ganz genau zu erfahren, womit sie es hier zu tun hatten und wer ihm womöglich noch auflauern würde.
    Ihre geweiteten Pupillen brauchten einen Moment, bis sie sich an die Lichtverhältnisse gewöhnten, und dann dauerte es noch ein wenig, bis sie ihn

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