Geisterhafte Visionen
daß es dort eine Scheibe aus Glas gab – dieser Umstand überraschte sie sehr. Draußen sah sie eine weitere Blockhütte, die sich vermutlich kaum von der unterschied, in der sie sich aufhielt.
Janeway zog das Tuch wieder vors Fenster, und daraufhin herrschte wieder das Halbdunkel im Zimmer. Gleichzeitig vernahm sie Stimmen, die näher kamen.
Der Türriegel knarrte, und aus einem Reflex heraus tastete die Kommandantin zum Phaser an ihrem Gürtel. Ihr lag nichts daran, von dem Strahler Gebrauch zu machen – die
Einheimischen hatten auch so schon genug hinter sich –, aber sie war viel zu schwach, um mit bloßen Händen zu kämpfen.
Die Tür öffnete sich, und Tuvok trat ein.
Kim folgte dem Vulkanier, und dann kam ein alter
Drenarianer, gekleidet in eine dunkle Hose und einen Kasack mit langen Ärmeln. Die Sachen waren sauber und in einem guten Zustand, schienen jedoch fast ebenso alt zu sein wie ihr Träger. Einige graue Strähnen zeigten sich im dunklen Haar des Mannes, und er war rasiert – im Gegensatz zu den anderen männlichen Drenarianern, die Janeway gesehen hatte.
Aus der Nähe betrachtet erschien ihr die drenarianische Physiologie nicht mehr ganz so primitiv, und in den Hautfalten dieses Mannes bemerkte sie einen vagen orangefarbenen Glanz.
Sie spürte den Blick dunkler Augen, und aus irgendeinem Grund konnte sie ihm nicht standhalten, drehte den Kopf wie scheu zur Seite.
»Wie geht es Ihnen, Captain?« fragte Tuvok und beugte sich vor, um das Ausmaß der Kopfverletzung besser abschätzen zu können.
»Es ist mir schon besser gegangen«, erwiderte Janeway und winkte ab.
»Ich möchte Ihnen einen neuen Freund von uns vorstellen, Nan Loteth. Mr. Loteth, das ist Captain Janeway.«
Sie streckte die Hand aus, aber der Drenarianer starrte nur verwirrt darauf hinab. Janeway ließ den Arm sinken.
»Mit solchen Gesten sind die Bewohner dieses Planeten nicht vertraut«, erklärte Tuvok.
»Seine Leute haben Sie nach dem Erdbeben ins Dorf
getragen«, sagte Kim und klang dabei recht fröhlich. »Besser gesagt: zu den Resten des Dorfes. Die starken Erschütterungen haben ein Drittel der Siedlung zerstört. Manche Gebäude sind einfach im Boden verschwunden. Dieser Teil des Ortes ist glimpflich davongekommen.«
»Bisher«, schränkte Tuvok ein.
Janeway hob den Kopf. »Wie meinen Sie das?«
»Loteth hat uns darauf hingewiesen, daß nach dem letzten Beben die vulkanische Aktivität ein wenig nachgelassen hat, doch derzeit scheint das gesamte Geschehen auf diesem Planeten in einem dauernden Wandel begriffen zu sein«, berichtete Tuvok. »Derzeit weht der Wind vorwiegend aus Nordwesten, weshalb der Asche- und Staubregen in dieser Region nachgelassen hat.
Doch wenn sich die Windrichtung ändert, was keineswegs auszuschließen ist, könnte sich die hiesige Situation drastisch verschlechtern.«
»Wir haben darauf gewartet, daß Sie das Bewußtsein
wiedererlangen«, sagte Kim. Die Worte platzten regelrecht aus ihm heraus. »Wir alle.«
»Die Drenarianer scheinen recht umgänglich zu sein,
Captain«, fuhr Tuvok fort. »Man hat uns freundlich behandelt.
Ich habe mir die Freiheit genommen, die Einheimischen darauf hinzuweisen, daß wir ihnen helfen wollen.«
»Bestimmt sind sie sehr von uns beeindruckt«, erwiderte Janeway ein wenig spöttisch. Sie fühlte sich noch immer ziemlich wacklig auf den Beinen.
Nan Loteth schob sich an ihnen vorbei, griff nach einer tönernen Karaffe und goß etwas von ihrem Inhalt in einen Becher aus Metall.
»Trinken Sie«, sagte er und bot den Becher Janeway an. Seine Stimme klang ein wenig rauh, gleichzeitig aber auch ruhig und gelassen.
Natürlich sprach der Drenarianer kein Föderationsstandard –
die Worte wurden vom automatischen Übersetzungsmodul im Insignienkommunikator übersetzt.
»Da ist doch hoffentlich kein Blei drin, oder?« fragte Janeway und zögerte. Tuvok holte seinen Tricorder hervor, hielt ihn kurz über den Becher und schüttelte den Kopf. Sein stummer Hinweis beruhigte die Kommandantin. Sie trank und leerte das Gefäß, obgleich die Flüssigkeit darin gräßlich schmeckte.
»Haben Sie keine Angst vor uns?« fragte Janeway den
Fremden und erinnerte sich an die Bilder der ersten Vision.
Stammten sie tatsächlich aus der Realität?
Der Drenarianer nahm den leeren Becher von ihr entgegen.
»Nicht vor Ihnen, nein.«
»Angeblich wußten die Einheimischen von unserer
bevorstehenden Ankunft«, sagte Tuvok.
»Sie meinen, die Geister ihrer Vorfahren
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