Geisterhafte Visionen
Sie eine sehr vernünftige Entscheidung
getroffen«, kommentierte Tuvok.
»Und seitdem haben Sie die Lichtung gemieden, nicht wahr?«
fragte Kim. Er nickte und glaubte, die Antwort bereits zu kennen.
»Nein«, widersprach der Drenarianer und überraschte damit die Besucher aus dem All. »Vom Waldrand aus griffen wir die Dämonen an. Doch mit unseren Waffen läßt sich nur wenig gegen sie ausrichten. Es gelang uns, einige von ihnen zu verwunden, aber sie steckten einen großen Teil des Walds in Brand, und deshalb mußten wir uns zurückziehen. Nach einer Weile kehrten wir heim. Wir nahmen an, daß uns die Fremden folgen würden. Wir haben auf sie gewartet, bereit zum Kampf.
Doch bisher sind sie in den Bergen geblieben.«
»Soviel zur angeblichen Absicht der Televek, eine
Rettungsmission durchzuführen«, brummte Kim.
»Wir verabscheuen den Krieg, Captain«, sagte Nan Loteth in einem fast beschwörenden Tonfall. »Seit fünf Generationen herrschen Harmonie und Eintracht bei uns. Die Oberhäupter unseres Volkes haben eine Vereinbarung getroffen, die es uns allen ermöglicht, in Frieden zu leben. Wir haben keine großen Heere, die wir gegen die Dämonen in den Kampf schicken können. Deshalb beschlossen die Jun-Tath, Sie zu uns zu schicken.«
»Eine interessante Theorie«, meinte Tuvok und wölbte beide Brauen.
»Nach Ihren Erfahrungen mit den Televek gingen Sie ein erhebliches Risiko ein, als Sie sich einfach so unserem Shuttle näherten«, sagte Janeway. »Ihre Visionen in Hinsicht auf unsere Landung müssen sehr deutlich gewesen sein.«
»Das gilt auch für meine Vision von Ihnen, Captain. Und von Ihren beiden Begleitern. Deshalb wurden Sie zu meinem Haus gebracht. Ich glaube, die Jun-Tath haben mich auserwählt, um mit Ihnen zu sprechen. Das ist eine große Ehre für mich.«
»Und auch für mich«, erwiderte Janeway. Sie versuchte zu lächeln, und es schmerzte nicht annähernd so sehr, wie sie befürchtet hatte.
»Lassen Sie das Himmelsschiff von jemandem beobachten?«
fragte Tuvok.
»Ja. Aber wenn es zu einem Angriff käme, dürften nur wenige von uns damit rechnen zu überleben.« Nan Loteth seufzte, und die Falten fraßen sich tiefer in sein Gesicht. »Seit dem ersten Versuch haben unsere Bogenschützen erneut auf die Dämonen geschossen, doch jetzt prallen die Pfeile an ihrer Kleidung ab.«
»Vermutlich tragen die Televek leichte Panzerung irgendeiner Art«, überlegte Kim laut.
»Die Drenarianer scheinen ein sehr tapferes Volk zu sein.« Die Erste Direktive fiel Janeway ein, und sie trachtete danach, nicht daran zu denken. »Und das soll es auch bleiben. Ich verspreche hiermit, daß wir alles versuchen werden, um Ihnen zu helfen.«
Nan Loteth nickte, drehte sich dann um und ging zur Tür.
Janeway, Tuvok und Kim folgten ihm nach draußen, auf einen kleinen Hof zwischen zwei Häusern. Dort gab es einen kleinen Garten mit Blumen, die jedoch unter einer dicken Schicht aus Asche und Staub verwelkten. Janeway konnte sich gut
vorstellen, daß es hier einmal sehr hübsch gewesen sein mußte.
Die Sonne sank dem Horizont entgegen, und die Schatten wurden länger, als Nan Loteth seine Begleiter um eine Ecke und zur nächsten Straße führte.
Von dort aus hatte es den Anschein, als erstrecke sich das Dorf
– beinahe eine Stadt – in alle Richtungen. Nur vier Häuser trennten sie von einer Kreuzung, deren Form an einen Hahnenfuß erinnerte. Dort herrschte reger Betrieb. Läden und Geschäfte säumten die aus festgetretener Erde bestehenden Straßen, und manche Gebäude waren zwei Etagen hoch.
Personen liefen hin und her. Die bereits vertraut anmutenden drenarianischen Lasttiere zogen mit Waren und Gütern beladene Karren, auf denen gelegentlich auch Kinder hockten. Einmal mehr dachte Janeway an den amerikanischen Westen während der Pionierzeit, an eine neugegründete Stadt an der
Siedlungsgrenze beziehungsweise an einen Ort der
amerikanischen Ureinwohner – eine junge drenarianische Frau kam vorbei, auf dem Rücken ein kleines Kind in einem indianisch anmutenden Tragegestell.
Janeway beobachtete einen jungen Mann, der sich ihnen näherte. Er trug einen Stuhl und zündete Öllampen an, die an Holzmasten hingen. Nirgends umflatterten Motten die
Flammen, und es gab auch keine anderen Insekten. Auf vergleichbaren Welten war Janeway häufig gebissen und gestochen worden; hier brauchte sie nichts dergleichen zu befürchten. Doch dadurch wurde Drenar Vier keineswegs zu einem Paradies. Das Ökosystem
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