Geisterhauch (German Edition)
Mark erschauern ließ. »Ich sollte dich fairerweise warnen.«
»So?« Er richtete sich auf und sah mich träge wollüstig an.
»Ich werde nicht zulassen, dass du deinen materiellen Körper sterben lässt.«
»Und du wirst mich davon abhalten?«, fragte er skeptisch.
Ich schob ihn weg, nahm meine Tasche und ging zur Tür. Kurz bevor ich sie schloss, blickte ich noch einmal zurück und sagte: »Ich werde dich finden.«
4
Wenn es Reifen oder Hoden hat, macht es dir Ärger.
– Autoaufkleber
Ich schloss die Tür hinter mir und ließ den Sohn Satans in meiner Wohnung zurück. Allein. Verärgert. Und ziemlich wahrscheinlich sexuell frustriert. Ein nagender Gedanke im Hinterkopf ließ mich hoffen, dass er nicht sauer war. Es würde mir gar nicht gefallen, wenn er mir meine Junggesellinnenbude in Brand steckte.
Aber mal ehrlich, er benahm sich lächerlich. Vollkommen lächerlich. Die ganze Sache erinnerte mich an meine Grundschulzeit, als meine beste Freundin sagte: Jungs sind widerlich; wir sollten sie mit Steinen bewerfen.
Ich trabte über den Parkplatz, wo ich mir meine zitternde Begierde vom Wind runterkühlen ließ, und ging quer durch die Kneipe meines Vaters zur Innentreppe. Mein Vater war wie Onkel Bob Polizist gewesen und sehr schnell befördert worden, bis sie es beide zum Detective gebracht hatten. Mit meiner Hilfe natürlich. Seit meinem fünften Lebensjahr klärte ich für sie Verbrechen auf, wobei aufklären vielleicht ein zu starkes Wort ist. Ich gab Informationen der Verstorbenen an sie weiter und half dadurch bei der Aufklärung. Mein Onkel war noch immer beim APD , mein Vater war dagegen vor einigen Jahren aus dem Dienst ausgeschieden und hatte sich eine Kneipe gekauft. Von dort aus arbeitete ich; mein Büro lag im ersten Stock. Zwei Schritte von der Hintertür entfernt lag meine Wohnung. Sehr bequem.
Dad war früh da. Aus seinem Büro fiel Licht in den dunklen Schankraum. Darum wand ich mich zwischen den Bistrotischen durch, ging um die Theke herum und streckte den Kopf zur Tür rein.
»Hallo, Dad«, sagte ich und erschreckte ihn damit. Mit einem Ruck drehte er sich zu mir um. Er hatte ein Foto an der Wand betrachtet. Durch seinen langen, schmalen Körper ähnelte er einem Eis am Stiel in zerknitterten Ken-Klamotten. Offenbar hatte er die ganze Nacht gearbeitet. Auf seinem Schreibtisch stand eine offene Flasche Crown Royal, und er hielt ein Glas in der Hand, in dem noch ein Schluck drin war.
Der Eindruck, den er machte, überraschte mich. Etwas daran stimmte nicht, als würde ein Kellner Eistee bringen, nachdem man Diätlimo bestellt hat. Die banale Aufgabe, den ersten Schluck zu trinken, war ein Schock für meinen Organismus, da ich einen anderen Geschmack erwartet hatte. Wenn Dad seinen gelegentlichen freien Tag hatte, war der Geschmack anders. Das kam unerwartet. Ein tiefer Kummer gemischt mit niederdrückender Hoffnungslosigkeit schlug mir entgegen und raubte mir den Atem.
Alarmiert richtete ich mich auf. »Dad, was ist los?«
Er rang sich ein müdes Lächeln ab. »Nichts, Schatz, hab nur Papierkram zu erledigen«, log er. Die Täuschung klang mir bitter in den Ohren. Doch ich spielte mit. Wenn er nicht sagen wollte, was ihn bedrückte, würde ich darüber hinweggehen. Fürs Erste.
»Warst du überhaupt schon zu Hause?«
Er stellte das Glas hin und nahm eine hellbraune Jacke von der Rückenlehne seines Stuhls. »Will mich gerade auf den Weg machen. Brauchst du etwas?«
Er war ein miserabler Lügner. Vielleicht hatte ich das von ihm. »Nö, alles gut. Grüß Denise von mir.«
»Charley.« Ein warnender Ton glättete seine Stimme.
»Was denn? Darf ich meiner Stiefmutter keine Grüße ausrichten lassen?«
Müde seufzend fuhr er in die Ärmel seiner Jacke. »Ich muss duschen, bevor die Meute zum Mittagessen runterkommt. Sammy müsste gleich hier sein. Falls du etwas frühstücken willst.«
Sammy, sein Koch, machte unwiderstehliche Huevos rancheros. »Vielleicht später.«
Er hatte es eilig rauszukommen. Oder vielleicht von mir wegzukommen. Ohne mich anzusehen, glitt er an mir vorbei und verströmte da bei Verzweiflung wie einen dichten, trüben Dunst. »Bin in ein paar Minuten wieder hier«, sagte er fröhlich wie ein Geisteskranker, der wegen Selbstmordgefährdung unter Beobachtung steht.
»Okay«, sagte ich genauso fröhlich. Er roch nach Honig-Zitronen-Hustenbonbons. Der Geruch hing auch in seinem Büro. Nachdem er weg war, schlenderte ich hinein und schaute mir das Foto an, das
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